Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugszeitraum, maßgeblich, abgeleitet, Anspruch, Überstunden, Abbummeln, Annahmeverzug, Übung, betrieblich, nachteilig, Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Eine betriebliche Übung kann auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer entstehen.
2. Läßt § 4 RTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der Beton- und Fertigteilindustrie (Betonsteinhandwerk) Norddeutschland zu, daß Überstunden im gegenseitigen Einvernehmen auch in bezahlter Freizeit abgegolten werden, so muß ein Arbeitnehmer eine entsprechende betriebliche Übung, daß in Zeiten fehlender Arbeit die Überstunden „abgebummelt werden, gegen sich gelten lassen, wenn er sie selbst durch entsprechendes eigenes Verhalten jahrelang in der Vergangenheit mitgetragen hat. Der Arbeitnehmer ist daher gehindert, das „Abbummeln” zu verweigern und statt dessen den Arbeitgeber durch ergebnisloses Anbieten der Arbeit in Annahmeverzug zu versetzen.
Normenkette
RTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der Beton- und Fertigteilindustrie (Betonsteinhandwerk) Norddeutschland § 4
Beteiligte
Firma Herbert L. GmbH & Co. KG |
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Zwischenurteil vom 02.09.1998; Aktenzeichen 3 Ca 1330 a/97) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert:
Die Klage wird auch in Bezug auf den Hilfsantrag abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die durch die Beklagte erfolgte Verrechnung von Freistellungstagen mit Mehrarbeit.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Kraftfahrer mit einem Stundenlohn von zuletzt 24,52 DM brutto bei einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt. Die Arbeitsvertragsparteien sind Mitglieder des den Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden im Betonsteingewerbe Nord-West-Deutschland vom 14. September 1993 abgeschlossen habenden Tarifpartner.
§ 4 Ziffer 6 RTV bestimmt: „Im gegenseitigen Einvernehmen können die Überstunden (Mehrarbeit) ganz oder teilweise innerhalb von drei zusammenhängenden Monaten auch in bezahlter Freizeit abgegolten werden. Die Zuschläge sind in jedem Falle in Geld zu vergüten.”
Der Kläger arbeitete in der Zeit vom 5. und 6. Dezember 1996 sowie vom 18. bis 21. Februar 1997 aufgrund der von der Beklagten angeordneten Freistellung nicht und erhielt von ihr Vergütung für 15,6 bzw. 31,2 Stunden; gleichzeitig kürzte die Beklagte das Überstundenkonto des Klägers um 15,6 bzw. 31,2 Stunden.
Der Kläger war der Ansicht, daß die Beklagte sich nicht auf § 4 Ziffer 6 RTV berufen könne, denn das dort vorausgesetzte gegenseitige Einvernehmen zwischen den Arbeitsvertragsparteien, daß die Überstunden ganz oder teilweise in bezahlter Freizeit abgegolten werden sollten, fehle. Zwar habe die Beklagte Mehrarbeit innerhalb eines Monats in bezahlter Freizeit abgegolten und er, der Kläger, sei damit auch einverstanden gewesen. Mit der Änderung der Handhabung seit 1996, daß nunmehr innerhalb von bis zu drei Monaten Mehrarbeit in bezahlter Freizeit abgegolten werde, sei er aber nicht einverstanden. Er könne daher nunmehr Abgeltung der Mehrarbeitsstunden, die zwischenzeitlich mehr als drei Monate zurücklägen, in Geld verlangen, hilfsweise entsprechende Erhöhung seines Überstundenkontos.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, daß über ein gleichgelagertes Verhalten der Beklagten aus August 1996, Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster – 3b Ca 2632/96 –, in zweiter Instanz zu entscheiden sei. Das Verfahren sei vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein unter dem Aktenzeichen 4 Sa 283/97 anhängig, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein betreffe einen gleichgelagerten Sachverhalt und die gleiche Rechtsfrage, so daß angeregt werde, das Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung oben angeführten Streit vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein auszusetzen. Das Arbeitsgericht hat alsdann den Rechtsstreit durch Beschluß vom 11. September 1997 bis zur rechtskräftigen Erledigung des vorgreiflichen Verfahrens 3b 2632/96 ausgesetzt. Auf den Antrag der Parteien hat das Arbeitsgericht Kammertermin anberaumt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.224,78 DM brutto zzgl. 4% Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag aus 459,75 DM seit dem 15. Februar und aus 765,03 DM seit dem 26. April 1997 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, dem Überstundenkonto des Klägers 46,2 Stunden gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte war der Auffassung, sie sei zur Abgeltung von Mehrarbeitsstunden durch bezahlte Freistellung auch entgegen dem erklärten Willen des Klägers berechtigt gewesen und berief sich hierzu auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Februar 1998 – 4 Sa 283/97 –, Das gegenseitige Einvernehmen i. S. v. § 4 Abs. 1 Nr. 6 RTV sei durch betriebliche Übung vorhanden. Das längere gleichbleibende Verhalten führe zur Bindung der Beteiligten; zur Beendigung der Betriebsübung bedürfe es einer...