Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstliche Tätigkeit. Schenkung. private Sphäre. Diensterfüllung. Betreuungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Wer als Sachbearbeiter im Betreuungsrecht von der Tochter und Erbin der verstorbenen Betreuten in nahem zeitlichen Zusammenhang zur Betreuung wiederholt in großem Umgang Geldgeschenke annimmt, handelt pflichtwidrig. Insoweit besteht jedenfalls dann ein unzulässiger „Bezug zur dienstlichen Tätigkeit” i. S. d. § 10 BAT, wenn der Betreuer die Erbin ausschließlich durch das Betreuungsverhältnis kennen gelernt hat; die Erbin unmittelbar nach dem Tod der Betreuten, noch vor Erstellung des Abschlussberichtes dem Betreuer eine Vollmacht zur Abwicklung aller Vermögens- und Nachlassangelegenheiten erteilt hat, ohne das eigene private Kontakte bestanden haben und in der Vollmacht seine Tätigkeit als Sozialarbeiter, beschäftigt beim Kreis X ausdrücklich erwähnt ist. Bei den angenommenen Geldgeschenken handelt es sich wirtschaftlich um verbotene Früchte der Arbeitsvertraglichen Dienstleistung als Betreuer, die keinen Ursprung in der privaten Sphäre haben (ausschließlich Einzelfallentscheidung).
Normenkette
BGB § 626; BAT § 54 Abs. 1, § 10
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 27.04.2004; Aktenzeichen öD 6 Ca 4032 b/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 27.4.04 – öD 6 Ca 4032 b/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung mit dem Vorwurf, der Kläger habe im Rahmen der Tätigkeit als Betreuer durch die Annahme von Geldgeschenken gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
Der Kläger ist 58 Jahre alt und seit dem 01.04.1980 bei dem Beklagten, zuletzt als Sachbearbeiter im Betreuungsrecht tätig. Er erhält durchschnittlich 3.500,00 Euro brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger ist aufgrund seines Lebensalters und seiner Betriebszugehörigkeit gem. § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbar.
Der Kläger war gesetzlicher Betreuer von Frau M. Kr.. Diese hatte eine Tochter, Frau G. Kr., geb. am ….1943. Letztere beerbte die am ….2002 verstorbene M. Kr., die u. a. ein Haus, Bargeld und ein Wertpapierdepot hinterließ. G. Kr., die der Kläger aus Anlass der Betreuung der Mutter kennen gelernt hatte, erteilte dem Kläger unmittelbar nach dem Tod der Mutter, am …2002 eine privatschriftliche Vollmacht zur Regelung der Bestattung und zur Übergabe der Nachlassangelegenheiten. Diese Tätigkeiten nahm der Kläger unverzüglich auf. Am 08.10.2002 schenkte G. Kr. dem Kläger 10.000,00 Euro (Bl. 45, 75 d. A.). Am 16.10.2002 erteilte sie, damals noch in Süddeutschland lebend, dem Kläger eine notarielle Vollmacht zur Verwaltung des Nachlasses, den sie von der Mutter geerbt hatte. Die Vollmacht erstreckte sich u. a. insbesondere auf die Verfügung über das Konto und über das Wertpapierdepot bei der Sparkasse S., zum Kauf einer Eigentumswohnung einschließlich der Vereinbarung des Kaufpreises. Die Vollmacht wurde ausgestellt auf
„Herrn F., Sozialarbeiter, |
beschäftigt beim Kreis …” (Bl. 49 d. A.). |
Am 18.03.2003 schenkte Frau G. Kr. dem Kläger per Überweisung weitere 10.000,00 Euro und am 15.04.2003 nochmals 10.000,00 Euro (Bl. 45 d. A.). Am 19.09.2003 überwies sie – wie stets vorformuliert vom Kläger (Bl. 136 d. A.) – nochmals 9.000,00 Euro an eine Frau S., der Inhaberin einer Bootsreparaturwerkstatt zum Zwecke der Reparatur des Bootsmotors des Klägers (Bl. 33 d. A.).
Nachdem der Rechtsanwalt der Frau G. Kr. den Kläger mit Schreiben vom 06.10.2003 zur Rückzahlung von insgesamt 44.000,00 Euro aufgefordert und kurz danach die Einrichtung einer Betreuung für Frau G. Kr. für Vermögensangelegenheiten wegen eines demenziellen Zustandes und befürchteter Geldverschwendung beantragt hatte, meldete der Kläger seinem Arbeitgeber am 24.10.2003 den Erhalt von ca. 30.000,00 EUR von Frau G. Kr. und teilte mit, er habe diese aus Dankbarkeit und Anerkennung für seine Hilfe schenkungshalber bekommen. Nach Anhörung des Klägers, Anhörung des Personalrates und Erhalt dessen Zustimmung sprach der Beklagte am 10.11.2003 die streitbefangene fristlose Kündigung aus.
Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Lübeck im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Zuwendungen hätten einen engen Zusammenhang zum Betreuungsverhältnis zur Mutter und damit zur dienstlichen Tätigkeit des Klägers gehabt. Sie stellten daher einen Pflichtenverstoß gegen § 10 Abs. 1 BAT in Verbindung mit § 14 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreises … dar. Diese Pflichtverletzung sei auch unter Berücksichtigung der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers derart schwerwiegend, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.04.2004 Bezug genommen.
Gegen das am 16.06.2004 zugest...