BAG, Urteil v. 23.8.2017, 10 AZR 376/16
Aufgrund einer Bestimmung im Arbeitsvertrag, wodurch dem Arbeitgeber hinsichtlich der Höhe einer Weihnachtsgratifikation ein in zulässiger Weise eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. v. § 315 BGB zusteht, kann er über die Höhe jeweils nach billigem Ermessen entscheiden. Ob die Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, ist einzelfallabhängig. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt nicht zu einer Konkretisierung der Anspruchshöhe mit der Folge, dass jede andere Ausübung des Ermessens nicht mehr der Billigkeit entspräche.
Sachverhalt
Der Arbeitsvertrag der Klägerin, die bei der Beklagten als DUP-Operator beschäftigt ist, enthielt in § 3 zum Entgelt die Regelung, dass zusätzlich zum Grundgehalt als freiwillige Leistung eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt. Zudem wird danach im Juni ein Vorschuss in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt.
Bis einschließlich 2013 wurde diese Sonderzahlung auch in jedem Kalenderjahr in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts ausbezahlt. Aufgrund der im Arbeitsvertrag geregelten Bestimmung erfolgte hierbei im Mai eines jeden Jahres die Auszahlung einer Hälfte als Vorschuss, die zweite Hälfte wurde mit der Vergütung für November abgerechnet. Auch im Mai 2014 erhielt die Klägerin einen Betrag in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts. Allerdings erstellte die Beklagte im August 2014 die Prognose eines negativen Betriebsergebnisses vor den Steuern, wenn sie die zweite Hälfte der Weihnachtsgratifikationen i. H. v. insgesamt ca. 350.000 EUR zahlen würde. Deshalb entschied sie, im November 2014 keine weitere Zahlung zu leisten. Im Oktober 2014 unterrichtete sie die Klägerin somit schriftlich darüber, dass "aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage … die Zahlung des zweiten Teils der Jahresendgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen" könne.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Gericht entschied, dass zwar nach § 3 des Arbeitsvertrags die Klägerin Anspruch auf eine kalenderjährliche Weihnachtsgratifikation habe, auf die jeweils im Juni ein Vorschuss zu leisten sei, wobei die Höhe der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses die Beklagte nach billigem Ermessen bestimme. Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen war hier jedoch erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), nachdem die Beklagte das ihr zustehende Bestimmungsrecht wirksam ausgeübt und der Klägerin im Oktober 2014 mitgeteilt hatte, dass die Zahlung des zweiten Teils der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgen könne.
Das Gericht führte hierzu aus, dass die Höhe der Weihnachtsgratifikation laut Arbeitsvertrag "jeweils jährlich durch den Arbeitgeber" festgelegt werde; insoweit sei offen, welche Höhe die Gratifikation zukünftig erreiche; die Beklagte könne die Höhe der Weihnachtsgratifikation jeweils einseitig nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB festsetzen. Solch eine Regelung sei nach Auffassung des BAG grds. auch zulässig. Höhe und Art einer Sonderzahlung müssten nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Ob die Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspreche, sei einzelfallabhängig und unterliege der vollen gerichtlichen Kontrolle.
Es war hier auch unschädlich, dass die Beklagte in der Vergangenheit stets eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts gezahlt hatte; die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts führte nicht zu einer Konkretisierung, mit der Folge, dass jede andere Leistungsbestimmung nicht mehr zulässig wäre. Auch konnte die Klägerin aus der vorbehaltlosen Zahlung des Vorschusses im Mai nicht entnehmen, dass die Beklagte auch im Jahre 2014 ein ganzes Bruttomonatsgehalt zahlen werde.
Im vorliegenden Fall entsprach die Leistungsfestsetzung auch der Billigkeit; insbesondere hatte die Beklagte im Einzelnen dargelegt, welche wirtschaftlichen Umstände sie zur Entscheidung bewogen haben. Dies war im Hinblick auf das prognostizierte Betriebsergebnis auch nachvollziehbar. Insoweit ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen.