Entscheidungsstichwort (Thema)
berufliche Weiterbildung. Kostenerstattungsanspruch bei selbstbeschaffter Weiterbildungsmaßnahme. Sachleistungsverschaffungsanspruch. Regelungslücke. sozialgerichtliches Verfahren. Erteilung eines Bildungsgutscheins. fehlende Zulassung der Maßnahme. Zulassungsverfahren. sozialrechtlicher Herstellungsanspruchs. Inzidentprüfung. Klagebefugnis
Leitsatz (amtlich)
Das SGB III enthält keine Regelung zur Kostenerstattung selbstverschaffter Weiterbildungsmaßnahmen nicht behinderter Menschen. Insoweit kann der in § 15 Abs 1 SGB IX und § 13 Abs 3 SGB V zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass ein Kostenerstattungsanspruch als Verlängerung des Sachleistungs- bzw Sachleistungsverschaffungsanspruchs lediglich dann in Betracht kommt, wenn die Behörde eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, Anwendung finden.
Orientierungssatz
In einem sozialgerichtlichen Verfahren, in dem es um die Erteilung eines Bildungsgutscheins geht, kann weder die Zulassung von Maßnahme und/oder Träger im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzt werden noch kann die Zulassungsfähigkeit im Rahmen einer Inzidentprüfung geklärt oder die Zulassung der Maßnahme und des Maßnahmeträgers von (potentiellen) Maßnahmeteilnehmern eingeklagt werden (vgl LSG Chemnitz vom 27.9.2012 - L 3 AS 329/09 und LSG Chemnitz vom 27.8.2009 - L 3 AL 89/08 = EzB SGB III § 77 Nr 8).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 04.03.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von Kosten (4.500,00 €) einer bereits durchgeführten Weiterbildung zum Gefahrgutausbilder bei der IHK R. hat.
Der 1957 geborene Kläger war als Fahrlehrer beschäftigt. Er meldete sich am 07.03.2012 mit Wirkung zum 10.03.2012 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte gewährte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Dauer von 450 Kalendertagen ab dem 10.03.2012 bis zum 08.06.2013 (Bewilligungsbescheid vom 12.03.2012, Änderungsbescheid vom 15.01.2013).
Am 04.02.2013 sprach der Kläger bei der Beklagten persönlich vor (Blatt 9, 10 der Beklagtenakte). Er teilte mit, er könne bei der Fahrschule L. als LKW-Fahrschullehrer eingestellt werden. Vom Arbeitgeber werde aber eine Qualifizierung zum Gefahrgutausbilder gefordert. Der Kläger legte der Beklagten einen entsprechenden Kursplan der IHK R. vor.
In einem Telefonat vom 04.02.2013 (Blatt 10 der Beklagtenakte) wurde dem Kläger in Absprache mit der Teamleitung mitgeteilt, dass eine Förderung bei schriftlicher Einstellungszusage des Arbeitgebers möglich sei. Eine entsprechende Zusage legte der Kläger in der Folge vor.
Die Beklagte erteilte dem Kläger am 11.02.2013 einen Bildungsgutschein (Blatt 2 der Beklagtenakte) mit dem Bildungsziel “Gefahrgutbeauftragter„. In dem dazu beigefügten Schreiben (Blatt 1 der Beklagtenakte) heißt es wie folgt:
Sehr geehrter Herr J.,
bei Ihnen wurde die Notwendigkeit einer beruflichen Qualifizierung festgestellt. Mit diesem Bildungsgutschein werden die Kosten für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung übernommen, vorausgesetzt die Weiterbildung ist für die Weiterbildungsförderung nach § 176 in Verbindung mit §§ 179 und 180 SGB III zugelassen. Vergewissern Sie sich vor Beginn der Teilnahme beim Bildungsträger, ob die Maßnahme für die Weiterbildung zugelassen ist.
Der Bildungsgutschein ist zeitlich befristet und regional grundsätzlich auf den Tagespendelbereich sowie auf bestimmte Bildungsziele begrenzt. Ihre Teilnahme an der Weiterbildung muss innerhalb der Gültigkeitsdauer beginnen. Damit Ihnen die Leistungen zeitnah bewilligt werden können, ist der Ihnen ausgehändigte Antrag oder Fragebogen rechtzeitig vor Weiterbildungsteilnahme einzureichen. Wenn die Inhalte der von Ihnen ausgewählten Weiterbildung nicht mit dem Gutschein übereinstimmen, ist die Bewilligung der Weiterbildungskosten sowie die Gewährung der Leistungen zum Lebensunterhalt in Frage gestellt.
Werden die zeitliche Befristung sowie die o. g. Begrenzungen nicht eingehalten, verliert der Bildungsgutschein seine Gültigkeit. Änderungen in den persönlichen Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind (z. B. der Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), Wohnortwechsel, Arbeitsaufnahme), müssen Sie weiterhin Ihrer Agentur für Arbeit mitteilen (§ 60 SGB I).
Am 14.02.2013 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit (Blatt 12 der Beklagtenakte), der von ihm begehrte Kurs bei der IHK R. sei nicht zertifiziert, woraufhin die Einleitung einer Einzelfallförderung geprüft wurde (Blatt 12 der Beklagtenakte). Dem Kläger wurde nach einem Telefonat am 19.02.2013, in dem ihm das Verfahren der Einzelfallprüfung erläutert wurde, der Bogen “Einzelfallprüfung„ zugesandt (Blatt 13 der Beklagtenakte).
In den Akt...