Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte. landwirtschaftlicher Unternehmer. Wohnsitz im Ausland. selbständige Tätigkeit. Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und wirtschaftliche Leitung des Unternehmens mittels Hilfspersonen im Inland. Regelungsgegenstand eines bilateralen Sozialversicherungsabkommens. Äquivalenzprinzip. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer wird auch dann an dem Ort ausgeübt, wo die landwirtschaftlichen Flächen liegen, wenn der Unternehmer von seinem ausländischen Wohnsitz aus die wirtschaftliche Leitung mittels Hilfspersonen ausführen kann (Anschluss an BSG vom 17.8.2000 - B 10 KR 2/99 R = SozR 3-5420 § 2 Nr 2).

 

Orientierungssatz

1. Ein Versicherter ist im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass der Bereich der Krankenversicherung nicht zu den Regelungsgegenständen eines Sozialversicherungsabkommens (hier: Zusatzabkommen zum Abkommen vom 14.11.1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit - juris: SozSichAbk1985ZusAbk Can) gehört. Welche Regelungstatbestände ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen erfasst, liegt nicht nur im Einflussbereich des deutschen Staates, sondern hängt ebenso vom Regelungswillen des anderen Vertragsstaates ab. Dieser ist nicht verpflichtet, Personen einander gleichzustellen, die einem anderen den Regelungsbereich der Krankenversicherung umfassenden Sozialversicherungsabkommen unterliegen.

2. Die Gesetzesauslegung, dass eine selbständige Tätigkeit im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs auch dann nicht zu verneinen ist, wenn zwar das Unternehmen in Deutschland liegt, der Unternehmer aber seinen Lebensmittelpunkt im Ausland hat, verletzt insbesondere nicht das Äquivalenzprinzip unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.11.2009; Aktenzeichen B 12 KR 34/09 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 26. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung.

Nachdem der 1953 geborene Kläger zum 1. Oktober 1992 in Sachsen-Anhalt einen landwirtschaftlichen Betrieb (Betriebsgröße: 543 ha) gegründet hatte, wurde seine landwirtschaftliche Krankenversicherung von der Beklagten durchgeführt, da die weiteren von ihm bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebsstätten in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen erheblich geringere Betriebsflächen auswiesen. Am 30. August 2001 wanderte er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Söhnen nach Kanada aus und versicherte sich und seine Familie dort gegen Krankheit. Neben der in Kanada übernommenen Farm (Betriebsgröße: ca. 1700 ha) führt der Kläger weiterhin seinen inzwischen auf 819,42 ha angewachsenen landwirtschaftlichen Ackerbaubetrieb in Sachsen-Anhalt. Er beschäftigt in diesem nicht verpachteten Unternehmen neben einem Verwalter zwei oder mehr Arbeitnehmer, trägt Gewinn und Verlust dieses Unternehmens und entrichtet hierfür in Deutschland Steuern.

Auf die “Kündigung der Krankenversicherung„ durch den Kläger (Schreiben vom 6. Oktober 2001) teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 27. November 2001 mit, dass seine Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer nicht mit dem Wegzug nach Kanada ende, sondern fortbestehe, solange er das wirtschaftliche Risiko in dem landwirtschaftlichen Unternehmen trage. Das weitere Schreiben des Klägers vom 3. Dezember 2001, in dem er um Bestätigung seiner Versicherungsfreiheit bat, fasste die Beklagte als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf und teilte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Januar 2001 mit, dass er auch ab dem 31. August 2001 als landwirtschaftlicher Unternehmer der Versicherungspflicht zu ihr unterliege. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2002 zurück. Die Klage, mit der er neben der Aufhebung der oben genannten Bescheide sowie der ab dem Jahr 2003 ergangenen Beitragsbescheide die Feststellung begehrte, ab dem 30. August 2001 kein versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten mehr zu sein, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 26. Januar 2007 (zugestellt am 13. Februar 2007) unter Berufung auf die Entscheidungsgründe der Bescheide vom 16. Januar 2002 und 8. Mai 2002 ab.

Zur Begründung seiner im März 2007 eingelegten Berufung bringt der Kläger vor, er sei als Landwirt in Deutschland nicht tätig, sondern kontrolliere die Geschäfte von Kanada aus per Internet. Er sei in Kanada Pflichtmitglied einer Kranken- und einer Alterskasse. Soweit es an einem deutsch-kanadischen Doppelversicherungsabkommen fehle oder ein solches den Bereich der Krankenversicherung nicht erfasse, sei dies nicht seine Sc...

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