Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. Nebenbestimmung. Aufnahme der Beschäftigung
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen für eine Auszahlung der Vermittlungsvergütung regelt § 45 SGB 3. Vermittelt ist ein arbeitsloser Arbeitsuchender i. S. von § 45 Abs. 7 S. 1 SGB 3 erst dann, wenn die Beschäftigung auch tatsächlich aufgenommen worden ist.
2. Hatte der Aktivierungs- Vermittlungsgutschein zum Zeitpunkt der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses keine Gültigkeit mehr, so ist ein Anspruch auf Auszahlung der Vermittlungsvergütung nach § 45 SGB 3 ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 1.000,- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung von Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,- € geltend.
Die Beklagte erteilte der seinerzeit arbeitslosen Beigeladenen für die Zeit vom 23. Februar 2015 bis 22. Mai 2015 eine Förderzusicherung (Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein - AVGS - der Agentur für Arbeit Lichtenberg vom 23. Februar 2015) für die Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Höhe einer Vermittlungsvergütung von insgesamt 2.000,- €. Die Zusicherung enthielt u.a. die „Nebenbestimmung“, dass die Gültigkeitsdauer maßgeblich für die Arbeitsvermittlung durch den ausgewählten (zugelassenen) Träger und die Aufnahme dieser versicherungspflichtigen Beschäftigung sei und dass sie - die Gültigkeit des AVGS - mit der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ende. Eine Bindung an die Zusicherung bestehe in diesen Fällen nicht mehr. Voraussetzung für die Zahlung der Vermittlungsvergütung sei u.a. die Aufnahme der vermittelten, mindestens sechswöchigen Beschäftigung innerhalb der Gültigkeitsdauer. Die erste Rate nach sechswöchiger Dauer der vermittelten Beschäftigung betrage 1.000,- €. Der Restbetrag werde nach einer Dauer dieser Beschäftigung von sechs Monaten gezahlt.
Die Beigeladene schloss am 24. Februar 2015 mit der G-Company, Inhaber E K (GS), einer nach dem Recht der Arbeitsförderung zugelassenen Trägerin (Zertifizierungsnummer AZAV T 120803-C), einen Arbeitsvermittlungsvertrag. Am 10. März 2015 nahm sie eine 35 wöchentliche Arbeitsstunden umfassende Beschäftigung als Produktionsmechanikerin - Textil bei der P S AG & Co. KG auf, die sie am 13. März 2015 beendete. Am 15.April 2015 schloss die Beigeladene auf Vermittlung der GS mit der D GmbH einen unbefristeten Arbeitsvertrag und nahm am folgenden Tag die Beschäftigung auf (vgl. Arbeitsbescheinigung vom 29. April 2015).
Den mit Schreiben vom 9. Juni 2015 gestellten Antrag der GS, eine Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,- € zu zahlen, lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die 10. März 2015 aufgenommene Beschäftigung mit Schreiben vom 25. Juni 2015 ab. Der Widerspruch wurde mit dem am 19. April 2016 eingegangenen Widerspruchsbescheid vom 14. April 2016 als unzulässig verworfen, weil es sich bei dem Schreiben vom 25. Juni 2015 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.
Das Sozialgericht (SG) Neuruppin hat auf die Klage der Klägerin vom 19. Mai 2016, der inzwischen aufgrund eines Ausgliederungsvertrags vom 5. August 2015 die GS als Gesamtheit übertragen worden war, den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Juni 2016 an das SG Cottbus verwiesen. Das SG Cottbus hat die auf Zahlung von 1.000,- € nebst Zinsen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2020 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Auszahlung der Vermittlungsvergütung. Bei Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung am 16. April 2015 habe der AVGS seine Gültigkeit bereits verloren gehabt. Die im AVGS mittels einer Nebenbestimmung vorgesehene Begrenzung seiner Gültigkeit durch die Aufnahme einer anderweitigen versicherungspflichtigen Beschäftigung sei ungeachtet einer etwaigen Fehlerhaftigkeit beachtlich. Diese Nebenbestimmung sei nicht nichtig und deshalb, weil sie nicht angefochten worden sei, wirksam gewesen. Ein allfälliger Verstoß der Nebenbestimmung gegen § 45 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) führe allenfalls zur Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung.
Mit der Berufung trägt die Klägerin vor: Dem Urteil des Bundesozialgerichts (BSG) vom 12. September 2019 - B 11 AL 13/18 R- sei zu entnehmen, dass die Ausführungen im AVGS, wonach mit der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung die Gültigkeit des AVGS ende, allenfalls erläuternden Charakter hätten. Das BSG habe ferner mit Beschluss vom 6. März 2013 - B 11 AL 93/12 B - ausgeführt,...