Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Hineinreichen in eine vorangegangene ausländische Rahmenfrist. Begrenzung. keine erneute Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten im Ausland. Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art. kein Kumulationsverbot des Art 10 EGV 883/2004

 

Leitsatz (amtlich)

1. Stellt ein echter Grenzgänger einen Antrag auf Arbeitslosengeld in Deutschland, ist zu prüfen, ob er innerhalb der Rahmenfrist die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Rahmenfrist findet stets ihre Grenze in dem Ende einer früheren Rahmenfrist. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob sich diese nach deutschem oder niederländischem Recht gerichtet hat.

2. Beschäftigungszeiten, die zur Begründung des Anspruches auf niederländisches Arbeitslosengeld geführt haben, sind daher nicht erneut zu berücksichtigen. Abzustellen ist für den Anspruch nach deutschem Recht lediglich auf die nach dem Bezug in den Niederlanden zurückgelegten Beschäftigungszeiten.

3. Dies verletzt auch nicht das Verbot des Zusammentreffens eines Anspruchs auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit in Art 10 der EG-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (juris: EGV 883/2004), weil das gewährte und das begehrte Arbeitslosengeld zwar Leistungen gleicher Art sind, allerdings nicht auf derselben Pflichtversicherungszeit beruhen.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.05.2018 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils wird wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 03.08.2018 und 07.08.2018 verurteilt, dem Kläger vom 30.11.2016 bis zum 25.04.2017 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen endgültig zu zahlen. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld vom 30.11.2016 bis zum 25.04.2017 sowie die Anrechnung seines zuvor in den Niederlanden erhaltenen Arbeitslosengeldes.

Der am 00.00.1985 geborene Kläger wohnt in L und hat hier seinen Lebensmittelpunkt, arbeitet jedoch regelmäßig (mit Unterbrechungen) in den Niederlanden für Zeitarbeitsunternehmen u.a. als Produktionshelfer. Dort stand er zuletzt vom 28.04.2014 bis zum 15.05.2015 im Bezug von WW-uitkering nach dem Werkloosheidswet. In der Folgezeit war er in den Niederlanden ausweislich der vorliegenden PD U1-Bescheinigung des Uitvoeringsinstituut Werknemersverzekeringen (UWV) I erneut vom 08.06.2015 bis zum 11.10.2015, vom 16.10.2015 bis zum 25.10.2015 und vom 23.11.2015 bis zum 14.11.2016 versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 30.11.2016 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Diese erkannte ihn als echten Grenzgänger an und bewilligte ihm mit Bescheiden vom 04.01.2017 und 05.01.2017 vorläufig Arbeitslosengeld für die Zeit vom 30.11.2016 bis zum 29.05.2017 i.H.v. 24,52 Euro täglich. Durch Änderungsbescheide vom 31.01.2017 änderte die Beklagte die Anspruchsdauer unter Beibehaltung der vorläufigen Bewilligung von ursprünglich 180 Tagen auf 114 Tage für den Zeitraum vom 06.02.2017 bis auf weiteres und auf 113 Tage für den Zeitraum vom 08.02.2017 bis zum 30.05.2017.

Am 02.03.2017 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB X für die Vergangenheit ab dem 30.11.2016 nebst Erstattung von 2.329,40 Euro an. Er habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld besessen. Zwar habe er aufgrund seiner Tätigkeiten in den Niederlanden grundsätzlich einen Anspruch auf deutsches Arbeitslosengeld erworben, davon seien aber die Tage des Leistungsbezugs in den Niederlanden vom 28.04.2014 bis zum 15.05.2015 (383 Tage) abzuziehen, so dass sich kein Anspruch mehr ergebe. Der Kläger habe die Überzahlung verursacht, da er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht vollständig mitgeteilt habe.

Mit Aufhebungsbescheid vom 02.03.2017 hob die Beklagte unter Bezugnahme auf § 48 SGB X die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 05.03.2017 auf und stellte die Zahlung am 04.03.2017 ein. Die Dauer des in den Niederlanden erhaltenen Arbeitslosengeldes sei von dem hier erworbenen Anspruch auf Arbeitslosengeld abzuziehen, so dass sich kein Anspruch ergebe.

Hiergegen legte der Kläger am 23.03.2017 Widerspruch ein und führte aus, nach dem Bezug des niederländischen Arbeitslosengeldes im Zeitraum vom 28.04.2014 bis zum 15.05.2015 habe er neue versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten in den Niederlanden zurückgelegt (08.06.2015 bis 11.10.2015, 16.10.2015 bis 25.10.2015 und 23.11.2015 bis 14.11.2016), durch die er einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben habe.

Am 26.04.2017 trat der Kläger in ein neues Beschäftigungsverhältnis ein.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2017 als unbegründet zur...

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