Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. ehrenamtlicher Helfer. planmäßige Wohlfahrtspflege. Bustransfer im In- und Ausland. Erholungsaufenthalt von Tschernobylopfern in Deutschland
Orientierungssatz
Ein Busfahrer, der als ehrenamtlicher Helfer eines Vereins zur humanitären Hilfe den Bustransfer von Tschernobylopfern (Kinder und Eltern) zwecks Erholungsaufenthalts in Deutschland sicherstellte, steht während dieser Fahrten - auch im Ausland - gem § 2 Abs 1 Nr 9 SGB 7 iVm § 4 Abs 1 SGB 4 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor
1. |
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Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 18.05.2004 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, auf der Grundlage eines als Arbeitsunfall anzuerkennenden Unfallereignisses vom 15.09.2002 dem Kläger für die Zeit vom 15.09.2002 bis zum 31.12.2003 Leistungen dem Grunde nach zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der Beigeladenen zu 1. zurückgewiesen. |
2. |
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Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 2. für beide Instanzen jeweils zur Hälfte. |
3. |
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Die Revision wird nicht zugelassen. |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfalls vom 15.09.2002 als Arbeitsunfall.
Der 1965 geborene Kläger zog sich bei einer Busfahrt, die für den Verein K S - L n T e.V. (im Folgenden: Verein) mit Sitz in L/Pfalz durchgeführt wurde, bei einem Verkehrsunfall in Weißrussland schwere Verletzungen zu, die zunächst notfallmäßig in einem Krankenhaus in M und ab dem 17.09.2002 in der chirurgischen Universitätsklinik H/Saar behandelt wurden. Bis zu dem Unfall war der Kläger hauptberuflich als Busfahrer im Linienverkehr bei der Regionalbus S/... GmbH tätig. Der Kläger, der kein Ehrenamt im Verein ausübte und kein Mitglied war, hatte schon in den Jahren vor dem Unfallereignis für den o. g. Verein unentgeltlich Busse von Deutschland nach Weißrussland und zurück gefahren. Mit den von dem Verein zweimal jährlich durchgeführten Fahrten, bei denen regelmäßig zwei bis drei Fahrer eingesetzt wurden, wurden von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl betroffenen Menschen, vor allem Kindern, Aufenthalte zur Erholung in Deutschland ermöglicht. Die Busfahrer waren freiwillig ohne Entgelt tätig; entgeltlich beschäftigte Busfahrer oder sonstige Beschäftigte hatte der Verein nicht.
Nach § 2 seiner Satzung fördert der Verein die humanitäre Hilfe für die von der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl betroffene Bevölkerung und die Kontaktpflege zwischen Wissenschaftlern, Organisationen und Gruppen in Weißrussland und Deutschland, die sich mit den Folgen der Atomreaktorkatastrophe und ihrer Bewältigung befassen. Im Sinne der Förderung humanitärer Hilfe sammelt der Verein Geld- und Sachspenden, die den von der Atomkatastrophe betroffenen Menschen unmittelbar zu Gute kommen.
Zu Fragen, die der Klärung der Zuständigkeit der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. dienen sollten, gab der Verein an, seit seiner Gründung im Jahre 1997 sei lediglich ein einziger Vortrag durchgeführt worden. Darüber hinaus hätten keine Seminare oder Kongresse stattgefunden. Der Verein führe jährlich zwei Hilfstransporte durch. Die Spendenaufrufe hierzu erfolgten im lokalen Amtsblatt und der Tageszeitung R. Über ein eigenes Lager verfüge der Verein nicht. Die Sachspenden würden in der Regel direkt zu dem vereinseigenen Lastkraftwagen, der auf dem Sportplatz stehe, gebracht. Projekte im eigentlichen Sinne führe der Verein nicht durch. Zweimal pro Jahr werde eine Kindererholung durchgeführt, an der sich höchstens zehn bis zwölf Vereinsmitglieder beteiligten. Außerdem seien hierbei drei bis vier Nichtmitglieder beteiligt, die als Busfahrer des vereinseigenen Busses eingesetzt seien.
Im Rahmen des im Sommer 2002 durchgeführten Ferienaufenthaltes wurden Kinder mit dem vereinseigenen Bus am 10.08.2002 abgeholt und nach Beendigung des Aufenthaltes in der Pfalz bei deutschen Gasteltern am 31.08.2002 nach Weißrussland zurückgefahren. Anschließend fuhren die Eltern der Kinder am 02.09.2002 nach Deutschland. Am 11.09.2002 wurden die Eltern mit dem Bus nach Weißrussland zurückgebracht. Auf der Rückfahrt nach Deutschland mit dem leeren Bus kam es am 15.09.2002 in der Nähe von M zu einem schweren Unfall. Der Bus wurde zum Unfallzeitpunkt von einem Kollegen des Klägers gefahren; der Kläger selbst war Beifahrer. Der Kläger erlitt bei dem Unfall schwere Verletzungen am rechter Fuß und rechten Ellenbogengelenk, der linke Unterschenkel musste amputiert werden,
Den Entlassungsbericht der Universitätsklinik H/Saar übersandte die Unfallkasse des Saarlandes der Beklagten, die vorläufig ihre Zuständigkeit bejahte, weil die Beigeladene zu 1., die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, einen Unfallversicherungsschutz des Klägers verneinte. In ihrem Schreiben vom 11.06.2003 teilte sie der Beklagten mit, dass die Aktivitäten des Vereins den von der Rechtsprechung definierte...