Beispiel 1
Der Arbeitnehmer legt, nachdem er eine Arbeitsanweisung erhalten hat, die ihm nicht passt, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Der Arbeitgeber verweigert die Entgeltfortzahlung.
Hier kann der Arbeitnehmer nicht geltend machen, der Arbeitgeber habe gegen das MiLoG verstoßen, und "zur Förderung der Zahlungsbereitschaft" eine Anzeige beim Zoll erstatten, da der Anspruch nicht auf das MiLoG gestützt werden kann.
Allerdings unterliegen derartige Ansprüche auf Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns auch keinen (tarif)vertraglichen Ausschlussfristen.
Beispiel 2
Beschäftigte A ist als Montagekraft beschäftigt. Nach dem anzuwendenden Tarifvertrag (MTV) war ein Nachtarbeitszuschlag von 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein "Urlaubsentgelt" in Höhe des 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes zu bezahlen. Für Januar 2021 zahlte die Arbeitgeberin neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 9,00 EUR bzw. 9,15 EUR eine "Zulage nach dem MiLoG". Die Feiertagsvergütung, die Vergütung für einen Urlaubstag und den Nachtarbeitszuschlag für 5 Stunden errechnete sie nicht aus dem gesetzlichen Mindestlohn, sondern aus der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Zudem rechnete sie ein ausbezahltes "Urlaubsgeld" auf die Mindestlohnansprüche der Klägerin an.
Nach Auffassung des BAG erfolgte dies zu Unrecht. Zwar gewähre das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG habe der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfalle, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, dass dieser ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gelte auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts aus dem MiLoG ergebe. Denn dieses enthalte hiervon keine abweichenden Bestimmungen. Damit könne der Arbeitgeber nicht auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung abstellen. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssten nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechnet werden, da dieser Teil des "tatsächlichen Stundenverdienstes" im Sinne des MTV sei. Eine Anrechnung des gezahlten "Urlaubsgeldes" auf Ansprüche nach dem MiLoG könne nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gebe und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handle.