Stefanie Hock, Christoph Tillmanns
3.9.1 Die zeitliche Bezugsgröße – Problem Monatslohn
Das Gesetz regelt nicht eindeutig, wie der Mindestlohn zu berechnen ist und welche Vergütungsbestandteile für die Frage, ob der Mindestlohnanspruch erfüllt ist, herangezogen werden können.
Im Gesetz ist hinsichtlich der Höhe des Mindestlohns nur der schlanke Satz enthalten, wonach "die Höhe des Mindestlohns ...""ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde" beträgt. "Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden". (§ 1 MiLoG) Unproblematisch sind daher nur die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer pro Stunde einen Lohn von aktuell 12,41 EUR brutto beanspruchen kann. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen ein monatliches Entgelt vor. Damit stellt sich zunächst die Frage nach der zeitlichen Bezugsgröße für die Kontrolle, ob der Mindestlohn gezahlt worden ist.
Die Fachliteratur und das Bundesarbeitsgericht gehen davon aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns monatsbezogen zu prüfen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn das der vereinbarte Zeitraum für die Vergütungszahlung ist. Das lässt sich daraus ableiten, dass in § 2 MiLoG bei den Fälligkeitsregeln eine monatliche Betrachtungsweise gewählt worden ist. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass ein Ziel des Gesetzes ist, dem Arbeitnehmer bei Vollzeitbeschäftigung ein Einkommen oberhalb der monatlichen Pfändungsfreigrenze zu sichern. Bei der Prüfung, ob durch das verstetigte Monatsentgelt der Mindestlohn eingehalten wird, ist die Anzahl der tatsächlich in dem Kalendermonat geleisteten Arbeitsstunden aller Art (also auch Bereitschaftsdienste) mit 12,41 EUR zu multiplizieren. Ist die Summe des in diesem Kalendermonat bezahlten verstetigten Entgelts mindestens genauso hoch, ist der Anspruch auf den Mindestlohn gewahrt. Alternativ hierzu ist das verstetigte Monatsentgelt durch die Anzahl der in diesem Monat konkret geleisteten Arbeitsstunden zu dividieren. Der sich ergebende Stundenlohn muss mindestens 12,41 EUR betragen. Da die einzelnen Kalendermonate unterschiedlich viele Arbeitstage haben, ist für jeden Monat sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindestlohn erhält.
Auch nach Verlautbarung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in der Broschüre "Fragen zum gesetzlichen Mindestlohn" auf Seite 12 bleiben Monatslöhne weiterhin zulässig, wenn sichergestellt ist, dass die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden in Höhe des Mindestlohns vergütet werden.
Neben der zeitlichen Bezugsgröße kann das weitere Problem auftreten bei Arbeitsverhältnissen, bei denen sich ein Stundenlohn von 12,41 EUR brutto erst im Wege einer Addition von mehreren Vergütungsbestandteilen ergeben würde. Hier stellt sich die Frage, welche Vergütungsbestandteile mindestlohnwirksam sind (s. hierzu die folgenden Gliederungspunkte)
Hinweis für nicht tarifgebundene Tochtergesellschaften
Die Monatsvergütung muss so bemessen sein, dass sie in dem Kalendermonat mit den meisten Arbeitstagen immer noch zu einem umgerechneten Stundenlohn von derzeit 12,41 EUR führt. Will man als Arbeitgeber auf keinen Fall mehr als 12,41 EUR pro Stunde zahlen, muss man die vertragliche Vereinbarung auf Stundenlohnvergütung umstellen.
Alternativ bietet sich die Lösung an, dass in die vertragliche Vereinbarung aufgenommen wird, dass der Arbeitnehmer in jedem Fall einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für die tatsächlich geleisteten Stunden hat.
3.9.2 Überstundenabgeltungsklauseln
Überstundenabgeltungsklauseln können in diesem Zusammenhang problematisch sein. Zwar trifft das MiLoG keine spezifische Aussage über die Vergütungspflicht von Überstunden und die Wirksamkeit von Pauschalabgeltungsvereinbarungen. Allerdings ändert ein verstetigtes Arbeitsentgelt nichts daran, dass der Mindestlohn ein Stundenlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde ist. Deswegen besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Mindestlohnvergütung aller geleisteten Überstunden. Eine vertraglich vereinbarte Nichtzahlung oder Pauschalierung von Überstunden ist also nur dann wirksam, wenn die Vergütung dem gesetzlichen Mindestlohn je tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde entspricht. Ohnehin ist eine Überstundenabgeltungsklausel nur wirksam, wenn konkret angegeben wird, wie viele Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, weil sie ansonsten intransparent ist. Eine Überstundenabgeltungsklausel könnte auch bereits deshalb unwirksam sein, weil sie bei Ausschöpfung der zu leistenden unentgeltlichen Mehrarbeitsstunden den Mindestlohn unterschreiten kann. Daher sollte die Monatsvergütung so hoch bemessen sein, dass sie stets die Stundenzahl erreicht, die ...