BAG, Beschluss v. 12.6.2019, 1 ABR 30/18
Die Stufenvorweggewährungen nach § 20 Abs. 5 Satz 1 TV-Ärzte/VKA sowie die Zahlung einer erhöhten Endstufe nach § 20 Abs. 5 Satz 2 TV-Ärzte/VKA bedürfen nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Es handelt sich hierbei nicht um eine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob eine tarifvertraglich geregelte Stufenvorweggewährung oder Zahlung einer erhöhten Endstufe gem. § 20 Abs. 5 TV-Ärzte/VKA eine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung sei. Die Arbeitgeberin, Trägerin einer Klinik mit über 1.000 Beschäftigten, wollte einem leitenden Oberarzt eine erhöhten Endstufe nach § 20 Abs. 5 Satz 2 TV-Ärzte/VKA in Form einer "individuellen Personalbindungszulage" zahlen. Sie teilte dies dem Betriebsrat mit unter dem Hinweis, dass dieser bei der Maßnahme zwar nicht zu beteiligen sei, sie aber gleichwohl – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – seine Zustimmung hierzu erbitte. Diese erteilte der Betriebsrat zwar, möchte nun jedoch das Bestehen seines Beteiligungsrechts gem. § 99 Abs. 1 BetrVG festgestellt haben. Er vertrat hierbei die Ansicht, dass Stufenvorweggewährungen nach § 20 Abs. 5 Satz 1 TV-Ärzte/VKA und Zahlungen einer erhöhten Endstufe nach § 20 Abs. 5 Satz 2 TV-Ärzte/VKA seiner Zustimmung bedürften. Er habe insoweit mit zu beurteilen, ob die Tarifbestimmungen eingehalten würden.
Die Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG unterlägen. Sie sind keine Ein- oder Umgruppierungen.
Das Gericht führte insoweit aus, dass zwar nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Arbeitgeber in Unternehmen mit i. d. R. mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat u. a. vor jeder Eingruppierung und Umgruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen habe. Eingruppierung i. S. v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sei hierbei die erstmalige oder erneute Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung, Umgruppierung dagegen jede Änderung dieser Einreihung. Eine Ein- oder Umgruppierung bestehe in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe oder jedenfalls einer Vergütungsordnung zuzuordnen sei. Es handele sich hierbei nicht um eine in das Ermessen des Arbeitgebers gestellte rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung (vgl. BAG 26.9.2018 – 7 ABR 18/16), d. h. um keinen konstitutiven rechtsgestaltenden Akt, sondern um die Kundgabe einer Rechtsansicht. Insoweit bestehe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in den Fällen der Ein- und Umgruppierung lediglich in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage (vgl. BAG, Beschluss v. 11.9.2013, 7 ABR 29/12).
Bei den hier streitgegenständlichen Personalmaßnahmen ordne die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer bzw. deren Tätigkeiten nicht in die Vergütungsordnung nach dem TV-Ärzte/VKA ein, sondern gewähre aufgrund einer tariflichen Ermächtigung im Einzelfall ein außerhalb der Stufenschemata von §§ 19 ff. TV-Ärzte/VKA stehendes Entgelt. Die Arbeitgeberin bekunde mit der Vorweggewährung eines um bis zu 2 Stufen höheren Entgelts oder der Zahlung eines über der Endstufe liegenden Entgelts keine Rechtsansicht, sondern treffe eine konstitutiv-gestaltende Entscheidung, wozu sie nur unter bestimmten, tariflich näher geregelten Voraussetzungen berechtigt sei. Lägen diese vor, sei ihr ein Ermessen eröffnet. Und bei dieser Entscheidung habe der Betriebsrat kein Mitbestimmungs- bzw. Mitbeurteilungsrecht.