§ 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG stellt ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Lohnfragen sicher.
"Betriebliche Lohngestaltung" betrifft jedoch nur die Feststellung abstrakt genereller Grundsätze zur Lohnfindung mit dem Ziel innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit.
Tarifliche Regelungen
Soweit ein Tarifvertrag wie der BAT bzw. der TVöD das Lohnsystem bereits abschließend regelt, entfällt das Mitbestimmungsrecht, jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber normativ tarifgebunden, also Mitglied im Arbeitgeberverband ist. Enthält der Tarifvertrag jedoch nur eine Rahmenregelung wie beim Thema "Leistungszulage", so unterliegt die konkrete Ausgestaltung der Zulage der Mitbestimmung des Betriebsrats. Gleiches gilt für übertariflich gezahlte Zulagen.
Ist die Firma/Einrichtung nicht Mitglied im Arbeitgeberverband, also nicht tarifgebunden, so unterliegt das gesamte Vergütungssystem der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Sperrwirkung des Tarifvertrags?
Nicht nur der Eingangssatz in § 87 Abs. 1 BetrVG, sondern auch § 77 Abs. 3 BetrVG setzt der Regelungsbefugnis der Betriebspartner Grenzen.
Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein ("Sperrwirkung"), es sei denn, der Tarifvertrag lässt eine solche Betriebsvereinbarung ausdrücklich zu ("Öffnungsklausel").
§ 87 Abs. 1 BetrVG enthält dagegen die Formulierung "soweit eine tarifvertragliche Regelung nicht besteht".
In der Vergangenheit war heftig umstritten, ob die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG auch im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG gilt oder ob der im § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz enthaltene Tarifvorbehalt die Vorschrift des § 77 Abs. 3 BetrVG verdrängt.
Das BAG und die herrschende Meinung in der Literatur haben sich für die sog. Vorrangtheorie entschieden. Danach geht § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG als speziellere Norm dem § 77 Abs. 3 BetrVG vor und verdrängt diesen.
Nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ist darauf abzustellen, ob ein Tarifvertrag für die Firma/Einrichtung tatsächlich gilt. Gilt der Tarifvertrag in der Firma/Einrichtung nicht, so kann § 77 Abs. 3 BetrVG die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht noch zusätzlich einengen. Allein diese Lösung ist akzeptabel.
Nach dem Zweck des § 87 BetrVG können Mitbestimmungsrechte nur dann sinnvollerweise entfallen, wenn die Interessen der Arbeitnehmer durch die im Betrieb anwendbaren tariflichen oder gesetzlichen Bestimmungen in den in § 87 BetrVG geregelten Angelegenheiten bereits ausreichend geschützt werden. Dies kann aber nur bei einer aktuellen Geltung des Tarifvertrags der Fall sein.
Ist der Arbeitgeber nicht im Arbeitgeberverband organisiert und ist der Flächentarif auch nicht für allgemeinverbindlich erklärt, so können Lohnsysteme sehr wohl durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG vereinbart werden.
Kollektive Tatbestände
Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich, wie die Verwendung der Begriffe "Entlohnungsgrundsätze" und "Entlohnungsmethoden" zeigt, nur auf kollektive Tatbestände. Ein kollektiver Tatbestand liegt vor, wenn Grund und Höhe der Zahlung von allgemeinen Merkmalen abhängig gemacht werden, die von einer Mehrzahl der Arbeitnehmer der Einrichtung erfüllt werden. Die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer ist dabei nur Indiz.
Wird zum Beispiel eine "Leistungszulage" an einen Arbeitnehmer gezahlt, so hat diese Maßnahme kollektiven Bezug, da das Kriterium "Leistung" notwendig den Vergleich mit einer Normal –, Mindest- oder Minderleistung anderer Arbeitnehmer voraussetzt.
Der Grundsatz gilt auch für Lohnbestandteile, die nach der Anzahl der Fehlzeiten, Dauer der Betriebszugehörigkeit usw., jeweils in Bezug zu anderen Arbeitnehmern, vergeben werden.
Hat jedoch ein Arbeitnehmer ein konkretes anderweitiges Vertragsangebot und kann dieser nur durch das Angebot einer zusätzlichen Zulage zum Verbleib bewegt werden, so handelt es sich um eine mitbestimmungsfreie, individuelle Maßnahme.
Einzelfallregelungen übertariflicher Vergütung sind jedoch nach wie vor nicht mitbestimmungspflichtig, da der Mitbestimmung grundsätzlich nur solche Maßnahmen des Arbeitgebers unterliegen, die einen kollektiven Bezug aufweisen.
Eine solche Einzelfallregelung liegt z. B. vor, wenn der Arbeitgeber
- einem einzelnen Arbeitnehmer besondere individuelle Leistungen zusätzlich vergüten oder
- dem individuellen "Marktwert" eines Arbeitnehmers oder einer nur bei ihm bestehenden Qualifikation bei der Bemessung der Vergütung Rechnung tragen will.