4.1 Soziologischer Ansatz und Definition durch das BAG
Die Erklärung des Phänomens Mobbing erfolgt zunächst aus einem soziologischen Ansatz heraus. Für die Personalpraxis ist dieser Erklärungsansatz von zweifacher Bedeutung. Zum einen ergibt sich daraus der "Blick für die Mobbing-Situation". Der Personalverantwortliche wird über die Sozialwissenschaften für dieses Problem sensibilisiert. Des Weiteren liefert der soziologische Erklärungsinhalt konkrete Handlungsanweisungen, insbesondere für die Mobbing-Prophylaxe. Mobbing-Tatbestände erreichen aber irgendwann auch einmal ein Stadium, in dem sie eine rechtliche Relevanz entwickeln. Im Gegensatz zur Soziologie, die sich schon seit vielen Jahren mit dem Phänomen Mobbing beschäftigt, hat sich die Rechtswissenschaft diesem Thema bisher nur zögerlich zugewandt. Da sich in den letzten beiden Jahren aber vermehrt Gerichte mit dem Problem Mobbing auseinandersetzen müssen, ist mittlerweile auf einen gewissen Fundus an judikativen Richtlinien zum Thema Mobbing zurückzugreifen. Zunächst stellt sich dabei die Frage, inwieweit bei der juristischen Definition des Mobbing-Begriffs auf die vorhandene soziologische Terminologie abgestellt werden kann. Das Bundesarbeitsgericht hat sich im Jahre 1997 erstmals mit dem Begriff auseinandergesetzt. In der Sache ging es dabei aber nicht um einen konkreten Mobbing-Fall, sondern um die Frage der Zulässigkeit einer Betriebsratsschulung zum Thema Mobbing.
Das BAG definiert Mobbing als das "systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte."
4.2 Von Kurzdefinition bis zu den "Thüringer Thesen"
Die Grunddefinition des Bundesarbeitsgerichts ist mittlerweile in einigen untergerichtlichen Entscheidungen aufgegriffen und präzisiert worden. Mit Abstand am ausführlichsten befasste sich das Landesarbeitsgericht Thüringen in einem Urteil nicht nur mit der Definition des Mobbing-Begriffs, soweit er juristisch relevant sein soll, sondern auch mit den sich daraus für den Arbeitgeber ergebenden Rechtsfolgen sowie den Schadensersatz sowie beweisrechtlichen Umfeld, soweit eine solche Streitigkeit die Gerichte beschäftigt.
Das Urteil des LAG Thüringen mit insgesamt 14 (!) Leitsätzen hat sich als "juristisches Brevier" für Mobbing-Fälle in der Praxis nicht durchgesetzt. Gleichwohl zeigt es, welche komplexe rechtliche Bewertung hinter Mobbing-Fällen stehen kann und welche Anforderungen daraus für den Arbeitgeber resultieren.
Der Mobbingbegriff wird vom LAG Thüringen wie folgt definiert: "Im arbeitsrechtlichen Verständnis erfasst der Begriff des Mobbing fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf der im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsprechung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sein und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere, ebenso geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen".
Über die Rechtsprechung aller anderen Gerichte hinausgehend wird dabei vom LAG Thüringen schon das objektive Vorliegen einer Mobbing-Situation dem Arbeitgeber zugerechnet. Ein systematisches Vorgehen sei dabei nicht Voraussetzung für die Annahme eines Mobbing-Sachverhalts. Auch ein vorgefasster Plan sei nicht erforderlich, es reiche aus, wenn ein bestimmtes Verhalten unter schlichter Ausnutzung der Gegebenheiten vorliegt.
Dem Urheber der "Thüringer Thesen" hat jetzt eine andere Kammer desselben Gerichts mehr als energisch widersprochen. In ungewöhnlich scharfer Form kritisiert die erste Kammer des LAG Thüringen die Mobbingentscheidung der 5. Kammer und stellt dazu schon im Leitsatz klar: "Für die streitentscheidene Aufgabe der Gerichte ist es nicht hilfreich, wenn der Eindruck erweckt wird, die Gerichte müssten gegenüber Mobbing ein klares Stoppsignal setzen". In der Klagebegründung geht die "Kollegenschelte" dann sogar soweit, dass der LAG-Entscheidung aus dem Jahr 2001 jede ernsthafte Bedeutung abgesprochen wird. Diese stelle, so die erste Kammer des LAG, "eher eine – hier nicht einschlägige – gutachterliche Äußerung verbunden mit rechtspolitischen Appellen zum Thema Mobbing dar". Mit diesem "Konterurteil" dürften sich die Chancen derjenigen, die sich im Streit mit dem Arbeitgeber auf den weiten Auslegungsbegriff des Mobbings berufen, weitgehend erübrigt haben, zumal sich gut drei Jahre nach Veröffentlichung der "Thüringer Thesen" kein anderes Arbeitsgericht auch nur Ansatzweise angeschlossen hat.
4.3 Zusammenfassung des Rechtsstands zur Mobbing-Definition
Die vielzitierten "Thüringer Thesen" finden bisher keine Zustimmung der übrigen Arbeitsgerichte und sind von einer anderen Kammer des LAG Thüringen scharf kritisiert worden.
Auch das LAG Hamm hat die weite Definition des Mobbing-Begriffs in seinem Urteil nicht geteilt. Hier wird festgestellt, dass kurzfristige Konfliktsituationen kein Mobbing darstellen. Die vom ...