Der Arbeitgeber ist verpflichtet, soweit wie im Hinblick auf einen wirkungsvollen Gesundheitsschutz verantwortbar, der Frau eine Fortführung der Tätigkeiten zu ermöglichen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 MuSchG). Durch das Ausschöpfen aller verfügbaren Präventionsmaßnahmen soll schwangeren und stillenden Frauen eine verantwortbare, ihren individuellen Bedürfnissen angepasste Teilhabe am Erwerbsleben ermöglicht werden. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 MuSchG).
Unter dieser Maßgabe sieht das Mutterschutzgesetz folgenden Pflichtenkatalog für den Arbeitgeber vor:
Betrieblicher Gesundheitsschutz – Pflichtenkatalog
Gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass eine schwangere oder stillende Frau ihre Arbeit am Arbeitsplatz nach Bedarf kurz unterbrechen und sich während dieser Pausen und Unterbrechungen unter angemessenen Bedingungen sitzend oder liegend ausruhen kann. Diese Arbeitsunterbrechungen gelten als Arbeitszeit, es ist weder erforderlich, sie nachzuarbeiten noch im Voraus zu planen. Eine Anrechnung auf die gesetzlichen Ruhezeiten ist unzulässig (vgl. Leitfaden des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Mutterschutz, 17. Auflage 2021, S. 33).
4.1 Gefährdungsbeurteilung und generelle Ermittlung von Schutzmaßnahmen (§ 10 Abs. 1 Nrn. 1 u. 2 MuSchG)
Bereits § 5 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber zur Durchführung von allgemeinen Gefährdungsbeurteilungen für sämtliche Arbeitsplätze. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG sind im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 Abs. 1 ArbSchG die abstrakten Gefahren für schwangere oder stillende Frauen an allen Arbeitsplätzen zu erfassen und zu beurteilen. Die Pflicht zur Beurteilung der Gefahren für schwangere oder stillende Frauen besteht losgelöst davon, ob auf diesen Arbeitsplätzen Frauen beschäftigt werden oder werden sollen.
Solange der Arbeitgeber für den konkreten Arbeitsplatz keine Beurteilung der Gefahren für schwangere oder stillende Frauen durchgeführt hat, darf er auf diesen Arbeitsplätzen eine schwangere oder stillende Frau nicht beschäftigen.
Bei der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber den Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beachten. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes bzw. einer Tätigkeit ausreichend (§ 10 Abs. 1 Satz 2 MuSchG).
Die Gefährdungsbeurteilung, die der Arbeitgeber nach § 10 Abs. 1 MuSchG vorzunehmen hat, vollzieht sich im Wesentlichen in 2 Schritten.
Im 1. Schritt hat der Arbeitgeber sämtliche Arbeitsplätze – egal ob an ihnen Frauen beschäftigt werden oder nicht – im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG auch nach den besonderen Regelungen des Mutterschutzgesetzes zu beurteilen. Der Arbeitgeber muss die Gefährdungen, denen eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind am Arbeitsplatz ausgesetzt sein könnte, hinsichtlich ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Dauer beurteilen, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG. Diese Bewertung umfasst alle potenziellen Gefährdungen am spezifischen Arbeitsplatz. Dabei sind auch nur mögliche Gefahren einzubeziehen, z. B. durch Produktionsstörungen oder andere Unregelmäßigkeiten. Das Ergebnis ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG zu dokumentieren.
Im 2. Schritt hat der Arbeitgeber nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MuSchG unter Berücksichtigung des Ergebnisses dieser Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, ob für eine schwangere oder stillende Frau auf diesem Arbeitsplatz voraussichtlich
- keine Schutzmaßnahmen erforderlich sein werden,
- eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG erforderlich sein wird oder
- eine Fortführung der Tätigkeit der Frau an diesem Arbeitsplatz nicht möglich sein wird.
Hierfür bedarf es einer umfassenden Kategorisierung der im 1. Schritt festgestellten Gefährdungen.
Der Arbeitgeber hat gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 MuSchG die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass bei der Beschäftigung schwangerer und stillender Frauen
- einfache) Gefährdungen möglichst vermieden werden und
- unverantwortbare Gefährdungen ausgeschlossen werden.
Eine unverantwortbare Gefährdung ist nach § 9 Abs. 2 Satz 2 MuSchG eine Gefährdung, bei der die Eintrittswahrscheinlichkeit angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens für Mutter oder Kind nicht hinnehmbar ist. Es ist daher abzuwägen zwischen der Eintrittswahrscheinlichkeit und den möglichen Gesundheitsschäden. Wenn für Mutter oder Kind Gesundheitsschäden denkbar sind, sind die Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit ausgesprochen gering.
Eine gesetzliche Vermutung für unverantwortbare Gefährdungen wird...