Während das Mutterschutzgesetz bisher nur für Arbeitnehmerinnen im arbeitsrechtlichen Sinn und Heimarbeiterinnen und darüber hinaus über § 10 BBiG auch für Auszubildende galt, ist der persönliche Geltungsbereich der Norm durch § 1 Abs. 2 nunmehr erheblich erweitert worden.
3.1 Grundregel
Das Mutterschutzgesetz gilt nunmehr für alle Frauen, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV befinden. Da der Begriff des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses über den des Arbeitsverhältnisses hinausgeht, ist hiermit auch eine Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs des Mutterschutzgesetzes verbunden. Ob aufgrund verschiedener sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten (Überschreiten von Beitragsbemessungsgrenzen oder geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 SGB IV) Versicherungsfreiheit besteht, ist unerheblich. Es kommt ausschließlich darauf an, dass es sich um ein Beschäftigungsverhältnis i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV handelt.
Auf diese Weise hat der Gesetzgeber der rechtlichen Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs genüge getan, wenn der in ständiger Rechtsprechung den Begriff der Arbeitnehmerin auch im Sinne dieser Richtlinie so definiert, dass er nicht je nach nationalem Recht unterschiedlich ausgelegt werden darf, sondern anhand objektiver Kriterien zu bestimmen ist, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Daraus hat der EuGH im Falle Danosa den Schluss gezogen, dass die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen ist, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält. Angestellte Fremdgeschäftsführerinnen bzw. solche Geschäftsführerinnen, die an der Gesellschaft keine Mehrheitsbeteiligung bzw. keine Sperrminorität besitzen, sind nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs Arbeitnehmerinnen und unterliegen den Regelungen des Mutterschutzes. Da diese in aller Regel auch nach § 7 Abs. 1 SGB IV in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis stehen, unterliegen sie jetzt auch dem Mutterschutzrecht.
Auf das personenstandsrechtlich eingetragene Geschlecht der Schwangeren bzw. Stillenden kommt es nach der Formulierung des § 2 Abs. 4 MuSchG nicht an.
3.2 Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs auf andere Beschäftigungsverhältnisse
Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1-8 sind bestimmte Formen von Beschäftigung losgelöst von der Frage, ob es sich um ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis handelt, als Beschäftigung im Sinne des Mutterschutzgesetzes anzusehen. Dazu zählen
- Frauen in betrieblicher Berufsbildung und Praktikantinnen i. S. v. § 26 BBiG,
- Frauen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind,
- Frauen, die als Entwicklungshelferinnen im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes tätig sind, jedoch mit der Maßgabe, dass die §§ 18 bis 22 auf sie nicht anzuwenden sind,
- Frauen, die als Freiwillige im Sinne des JugendFDG oder des BuFDG tätig sind,
- Frauen, die als Mitglieder einer geistlichen Genossenschaft, Diakonissen oder Angehörige einer ähnlichen Gemeinschaft auf einer Planstelle oder aufgrund eines Gestellungsvertrags für diese tätig werden, auch während der Zeit ihrer dortigen außerschulischen Ausbildung,
- Frauen, die in Heimarbeit beschäftigt sind, und ihnen Gleichgestellte i. S. v. § 1 Abs. 1 und 2 des HAG, soweit sie am Stück mitarbeiten, jedoch mit der Maßgabe, dass die §§ 10 und 14 auf sie nicht anzuwenden sind und § 9 Abs. 1 bis 5 auf sie entsprechend anzuwenden ist,
- Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, jedoch mit der Maßgabe, dass die §§ 18, 19 Abs. 2 und § 20 auf sie nicht anzuwenden sind, und
- Schülerinnen und Studentinnen, soweit die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt oder die ein im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung verpflichtend vorgegebenes Praktikum ableisten, jedoch mit der Maßgabe, dass die §§ 17 bis 24 auf sie nicht anzuwenden sind.
Das Gesetz gilt nicht für Beamtinnen und Richterinnen und nicht für Soldatinnen. Hier gelten besondere gesetzliche Regelungen.
3.3 Insbesondere: Arbeitnehmerähnliche Selbstständige
Von erheblicher praktischer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang arbeitnehmerähnliche Selbstständige, die bisher nicht in den Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes – mit Ausnahme angestellter Fremdgeschäftsführerinnen – entfielen.
Begriff der arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen
Der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen ist im Mutterschutzgese...