Peter Schmeiduch, Jutta Schwerdle
4.1 Überblick über die Regelungen
Das PflegeZG basiert auf 2 Säulen:
- Bei einer akut aufgetretenen Pflegesituation haben Beschäftigte das Recht, bis zu 10 Arbeitstage (COVID-19-pandemiebedingt bis zu 20 Arbeitstage) der Arbeit fernzubleiben, um für einen nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder die sofortige pflegerische Versorgung des betroffenen Angehörigen sicherzustellen (kurzzeitige Arbeitsverhinderung). Die Freistellung bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers. Seit dem 1.1.2015 besteht nach § 44a SGB XI während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung ein Anspruch auf eine aus der Pflegeversicherung finanzierte Entgeltersatzleistung (Pflegeunterstützungsgeld), sofern kein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung besteht.
- Zu einer längeren Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung können Berufstätige in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten bis zu 6 Monate Pflegezeit in Anspruch nehmen. Hierbei können Beschäftigte zwischen einer vollständigen und einer teilweisen Freistellung von der Arbeit wählen. Auch für die Pflegezeit ist eine Zustimmung des Arbeitgebers nicht erforderlich.
- Zur "Betreuung" eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen besteht seit 1.1.2015 – alternativ zur Pflegezeit – Anspruch auf eine bis zu 6-monatige Freistellung. Diese Freistellung kann auch zur Betreuung in außerhäuslicher Umgebung in Anspruch genommen werden.
- Zur Sterbebegleitung können Beschäftigte seit 1.1.2015 eine bis zu 3-monatige Auszeit beanspruchen. Auch diese Auszeit setzt keine häusliche Pflege voraus, sondern ermöglicht auch die Sterbebegleitung im Hospiz.
Das PflegeZG enthält eigenständige Regelungen zu zahlreichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen (z. B. zu Voll- bzw. Teilfreistellung, Verminderung des Urlaubs, Kündigungsschutz, Befristungsregelungen, Schwellenwerten), die im Folgenden detailliert dargestellt werden.
Abweichende Regelungen unzulässig
Die Vorschriften des PflegeZG sind unabdingbar (§ 8 PflegeZG). Die Ansprüche können damit weder durch Tarifvertrag, Betriebs-/Dienstvereinbarung noch durch Arbeitsvertrag ausgeschlossen oder zum Nachteil der Beschäftigten verändert werden.
4.2 Kurzzeitige Arbeitsverhinderung bei akut aufgetretener Pflegesituation (bis zu 10 Arbeitstage)
4.2.1 Ziel der Regelung
Ziel der Regelung zur kurzzeitigen Arbeitsbefreiung ist es, Berufstätigen nach Akutereignissen die Möglichkeit zu geben, "sich über Pflegeleistungsangebote zu informieren und die notwendigen Organisationsschritte einzuleiten". Die kurzzeitige Freistellung kann vom Beschäftigten z. B. dazu genutzt werden, für den pflegebedürftigen Angehörigen eine sachgerechte Versorgung, etwa durch einen Pflegedienst, zu organisieren oder die Versorgung von Pflegebedürftigen, die nicht direkt in einer geeigneten Pflegeeinrichtung untergebracht werden können, zunächst kurzzeitig selbst zu Hause zu übernehmen.
4.2.2 Anspruchsvoraussetzungen
- Akut aufgetretene Pflegesituation
Nach § 2 Abs. 1 PflegeZG haben Beschäftigte das Recht, eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.
Nicht ganz eindeutig geregelt ist, ob eine akut aufgetretene Pflegesituation nur anzunehmen ist, wenn die Pflegebedürftigkeit erstmalig eintritt. Hierfür gibt es Anhaltspunkte in der Begründung des Gesetzentwurfs. Ein akuter Pflegebedarf kann jedoch auch auftreten, wenn die Person, die bisher die Pflege übernommen hat, selbst erkrankt oder ein naher Angehöriger kurzzeitig aus dem Pflegeheim geholt und zu Hause gepflegt werden muss. Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung kann nicht beansprucht werden, um den nahen Angehörigen im Krankheitsfall zu betreuen.
Krankenhausaufenthalt eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen
Der Sohn einer Beschäftigten ist pflegebedürftig (Pflegegrad 2). Er ist gewöhnlich in einer Betreuungseinrichtung untergebracht und wird dort betreut und versorgt. Der Sohn muss sich nunmehr in einer Klinik einer mit einer mehrwöchigen Vorlaufzeit geplanten Operation unterziehen. Von der behandelnden Ärztin wurde die Notwendigkeit der Pflege durch die Beschäftigte schriftlich bestätigt.
Vorliegend fehlt es an einer "akut" aufgetretenen Pflegesituation, sodass die Voraussetzungen einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung i. S. d. PflegeZG nicht erfüllt sind.
Ggf. besteht in einem solchen Fall Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 29 TVöD. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Angehöriger schwer erkrankt ist. Die schwere Erkrankung ist indiziert durch die ärztliche Bescheinigung über die unerlässliche Notwendigkeit zur Pflege durch die Beschäftigte. Auch darf eine andere Person zur Pflege oder Betreuung nicht sofort zur Verfügung stehen. Weiter ist allerdings Voraussetzung, dass der...