Peter Schmeiduch, Jutta Schwerdle
6.3.1 Überblick
Bis zum 31.12.2014 bestand kein Anspruch auf Familienpflegezeit. Die Familienpflegezeit war im Falle ihrer Vereinbarung in der Form ausgestaltet, dass der Arbeitgeber – wenn ein positives Wert-/Arbeitszeitguthaben nicht vorhanden war – dem Beschäftigten einen Aufstockungsbetrag zahlen musste und zur Refinanzierung des von ihm zu leistenden Aufstockungsbetrags eine "staatliche Förderung" in Form eines zinslosen Darlehens in Anspruch nehmen konnte. Dabei musste zwingend das durch Tod oder Berufsunfähigkeit des Beschäftigten begründete Ausfallrisiko vom Beschäftigten durch Abschluss einer Familienpflegezeitversicherung abgedeckt werden. Diese für Arbeitgeber bürokratische Regelung hat auch dazu geführt, dass die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Es ist deshalb zu begrüßen, dass ab 1.1.2015 die "staatliche Förderung" der Arbeitgeber aufgegeben wurde und nunmehr der Beschäftigte eine Förderung zum Abfedern seines Einkommensverlustes durch die Gewährung eines zinslosen Darlehens beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen kann. Hiervon ist der Arbeitgeber unberührt.
Weitergeltung der früheren Regelungen zur Familienpflegezeit für "Altfälle"
Nach der Übergangsvorschrift in § 15 FPfZG gelten die Vorschriften des FPfZG in der Fassung vom 6.12.2011 in den Fällen fort, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Familienpflegezeitdarlehens bis einschließlich 31.12.2014 bereits vorlagen.
Nachfolgend werden deshalb die Regelungen des FPfZG in der Fassung vom 6.12.2011 dargestellt, soweit diese noch praktische Bedeutung für bereits laufende Familienpflegezeitfälle haben können. Wichtig sind diesbezüglich die Bestimmungen zur Zahlung des Aufstockungsbetrags durch den Arbeitgeber, zur Abwicklung der Familienpflegezeit in der Form eines sog. "negativen Wertguthabens" sowie die Störfallproblematik, wenn ein Beschäftigter das negative Wertguthaben nicht mehr durch Arbeit ausgleichen kann.
6.3.2 Aufstockungsbetrag
6.3.2.1 Berechnung
Das für die reduzierte Arbeitszeit zu zahlende Arbeitsentgelt ist während der Dauer der vor dem 1.1.2015 vereinbarten Familienpflegezeit aufzustocken. Nach der Intention des Gesetzes ist das Teilzeitentgelt – vereinfacht formuliert – um die Hälfte der Differenz zwischen dem bisherigen und dem wegen der Teilzeitarbeit verringerten Entgelt aufzustocken.
Beispiel (vereinfachte Darstellung)
Eine bisher vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin reduziert ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von 2 Jahren auf 50 % der bisherigen Arbeitszeit. Während der Familienpflegezeit erhält sie 75 % des bisherigen Entgelts.
In der 2. und 3. Lesung des Gesetzentwurfs am 20.10.2011 wurde auf Empfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine äußerst kompliziert anmutende Vorschrift zur Berechnung des Aufstockungsbetrags verabschiedet:
Das monatliche Arbeitsentgelt während der Familienpflegezeit wird aufgestockt "um die Hälfte des Produkts aus monatlicher Arbeitszeitverringerung in Stunden und dem durchschnittlichen Entgelt pro Arbeitsstunde" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b FPfZG).
"Durchschnittliches Entgelt pro Arbeitsstunde" ist hierbei "das Verhältnis des regelmäßigen Gesamteinkommens ausschließlich der Sachbezüge der letzten 12 Kalendermonate vor Beginn der Familienpflegezeit zur arbeitsvertraglichen Gesamtstundenzahl der letzten 12 Kalendermonate vor Beginn der Familienpflegezeit" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, cc FPfZG).
Im Gesetzentwurf in der Fassung vom 6.6.2011 war eine Definition des Begriffs "regelmäßiges Arbeitsentgelt" dahingehend vorgesehen, dass Sachbezüge und nicht laufend gezahlte Entgeltbestandteile unberücksichtigt bleiben. Das FPfZG in der Fassung vom 20.10.2011 schließt bei Ermittlung des regelmäßigen Gesamteinkommens nur die Sachbezüge ausdrücklich aus.
Jahressonderzahlungen sind bei der Berechnung des durchschnittlichen Entgelts pro Arbeitsstunde zu berücksichtigen. Dies entspricht den in der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familien, Frauen, Senioren und Jugend enthaltenen Berechnungsbeispielen, in denen ausdrücklich das Weihnachtsgeld einbezogen wird. Die Beschlussempfehlung war Grundlage für die am 20.10.2011 verabschiedete Gesetzesfassung.
Der TVöD (nicht dagegen der TV-L) sieht in § 18 ein Leistungsentgelt vor. Das Leistungsentgelt wird – sofern eine Betriebs-/Dienstvereinbarung über die Vereinbarung von Zielen bzw. bei systematischer Leistungsbewertung über bestimmte Leistungskriterien Anwendung findet – leistungsorientiert ausgezahlt. Wurde eine entsprechende Betriebs-/Dienstvereinbarung nicht verabschiedet, so wird das Leistungsentgelt mit dem Dezemberentgelt pauschaliert gewährt (vgl. Protokollerklärung zu § 18 Abs. 3 TVöD-Bund; Protokollerklärung zu § 18 Abs. 4 TVöD-VKA). In beiden Varianten ist das Leistungsentgelt – ebenso wie ein Weihnachtsgeld – als Bestandteil des "regelmäßigen Gesamteinkommens" der letzten 12 Kalendermonate zu werten und somit in die Berechnung des Aufstockungsbetrags einzubeziehen...