Rz. 2

Nach Auffassung des für das Urlaubsrecht zuständigen 9. Senats des BAG und der weit überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte ist § 9 BUrlG auch nicht auf den Fall anzuwenden, dass ein Arbeitnehmer während seines Erholungsurlaubs (ohne krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit) eine behördliche Absonderungsanordnung (Quarantäne) nach dem IfSG erhält, z. B. aufgrund einer (symptomlosen) Coronainfektion. Der Arbeitnehmer kann also keine Nachgewährung seines Urlaubs verlangen. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung verneint eine für eine analoge Anwendung erforderliche planwidrige Regelungslücke.[1]

 

Rz. 3

Das LAG Hamm[2] hat im Fall einer angeordneten Quarantäne eine Vergleichbarkeit mit der Situation eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers als gegeben angesehen. Die Anordnung einer Quarantäne stehe einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraums diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfinde. Der 9. Senat des BAG sieht dies nicht so. Allerdings stellte sich für ihn die Frage, ob die nicht Nichtnachgewährung des vom Arbeitnehmer beantragten Urlaubs, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung angeordneten Quarantäne überschneidet, bei fehlender Erkrankung des betroffenen Arbeitnehmers mit dem Unionsrecht im Einklang steht (Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte EU). Diese Frage hat das BAG deshalb dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.[3]

Bereits zuvor hatte das ArbG Ludwigshafen[4] dem EuGH die gleiche Frage gestellt. Der EuGH hat auf die Vorlage des ArbG Ludwigshafen am 14.12.2023 entschieden[5], dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die Tage bezahlten Jahresurlaubs, an denen der Arbeitnehmer nicht krank ist, sondern aufgrund eines Kontakts mit einer mit einem Virus infizierten Person unter Quarantäne gestellt ist, übertragen werden müssen. Es sei Zweck des bezahlten Jahresurlaubs, sich von der Arbeit zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dem stehe eine Quarantäne – anders als eine Krankheit – nicht grundsätzlich entgegen. Daher sei der Arbeitgeber unionsrechtlich nicht verpflichtet, Nachteile auszugleichen, die sich aus einem unvorhersehbaren Ereignis wie der Quarantäne ergeben und den Arbeitnehmer daran hindern könnten, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub uneingeschränkt und wie gewünscht zu nutzen.

Der 9. Senat des BAG hat seinen Vorlagebeschluss daraufhin aufgehoben und in Übereinstimmung mit dem EuGH nunmehr auch entschieden, dass die (symptomlos) in Quarantäne verbrachten Urlaubstage dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht nach § 9 BUrlG gutgeschrieben werden müssen.[6]

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