11.1 Beteiligungsrechte der Personalvertretung
Zu beachten sind die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Personalrats/Betriebsrats bei jeder Maßnahme, die auf Grundlage des RatSchTV Ang durchgeführt werden soll.
11.2 Digitalisierungstarifvertrag des Bundes (DigiTV)
Zum 1.1.2022 ist der Digitalisierungstarifvertrag für Beschäftigte des Bundes in Kraft getreten. Anwendung findet der Digitalisierungstarifvertrag immer dann, wenn sich in Folge der Digitalisierung wesentliche Änderungen der Arbeitsprozesse (z. B. durch den Einsatz neuer Anlagen, Maschinen oder Geräte und/ oder die Arbeitsorganisation, wie z. B. Arbeitsabläufe oder die Kommunikations- und Kooperationserfordernisse, nicht hingegen der bloße Austausch von Gerätschaften mit lediglich höherem Standard) oder Änderungen der Arbeitsplatzanforderungen (bei tiefgreifenden personellen Änderungen z. B. bei Änderung des Arbeitsortes oder der Eingruppierung) ergeben (§ 1 Abs. 2 DigiTV).
Damit bestehen Schnittmengen mit dem RatSchTV Ang, die § 1 Abs. 3 DigiTV auflöst: Diese Norm stellt klar, dass Beschäftigte, die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag geltend machen, nicht zu gleichen Sachverhalten Ansprüche aus den Tarifverträgen über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter und Angestellte (RatSchTV Arb/RatSchTV Ang) oder aus dem Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) geltend machen können.
11.3 Altersdiskriminierung in RatSchTV Ang?
In § 8 RatSchTV Ang werden u. a. solchen Angestellten Ansprüche aus dem RatSchTV Ang abgesprochen, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllen. Diese Altersgrenze ist entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 41 Satz 2 SGB VI so auszulegen, dass sie der jeweils geltenden Regelaltersgrenze für den Bezug ungekürzter Regelaltersrente entspricht.
Ob die Altersstaffelungen in § 5 Abs. 2 RatSchTV Ang dauerhaft Bestand haben werden, bleibt zunächst ungeklärt (näher hierzu Ziffer 9 Abfindung).
11.4 Hinweispflicht auf Weitergeltung RatSchTV bei Betriebsübergang?
Das Bundesarbeitsgericht hat erklärt, es genüge im Falle eines Betriebsübergangs nicht, im Unterrichtungsschreiben allgemein auf die Fortgeltung eines Tarifvertrags hinzuweisen. Es sei darüber hinaus auch erforderlich, Feststellungen dazu zu treffen, ob Regelungen eines Rationalisierungsschutz-Tarifvertrags beim Erwerber auch zur Anwendung kommen, falls es dort zu einer Änderung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen würde. Freilich betraf die Entscheidung nicht den RatSchTV Ang, sondern einen Sonderfall. Gleichwohl sollte vor einem Betriebsübergang die dann aktuelle Situation in Rechtsprechung und Literatur bedacht werden.
11.5 Keine Auswirkung des RatSchTV Ang auf Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Ist ein Arbeitnehmer nicht mehr ordentlich kündbar, kann der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen, nach dem RatSchTV Ang sei er allein gehalten, den Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes unterzubringen. Stattdessen muss er nach Auffassung des LAG Hamm im Falle einer Auslagerung von Tätigkeiten als milderes Mittel den zu kündigenden Arbeitnehmer im Wege der Personalgestellung vom Drittunternehmen beschäftigen lassen. Dies sei bei der Auftragsvergabe auszubedingen.
11.6 Auswirkungen des RatSchTV Ang auf Sozialauswahl
Soweit es zu einer Sozialauswahl kommt, stellt sich insbesondere in den Fällen der Unkündbarkeit einzelner Angestellter nach dem RatSchTV Ang die Frage, welche Auswirkungen diese tarifliche Unkündbarkeit hat. Dem Arbeitgeber begegnen in solchen Fällen erhebliche Rechtsunsicherheiten. Ob die Voraussetzungen für die Unkündbarkeit eines Mitarbeiters tatsächlich vorliegen, kann der stattdessen als sozial schwächer Gekündigte in seiner Kündigungsschutzklage angreifen. Nach wohl herrschender Meinung werden tariflich unkündbare Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einbezogen. Das hat dann zur Folge, dass die tarifliche Unkündbarkeit zulasten anderer Arbeitnehmer geht, die sozial schwächer sind. In Einzelfall könnte dies wegen einer Altersdiskriminierung unwirksam sein.
11.7 Ansprüche aus RatSchTV Ang neben Sozialplan/Abfindungen nach § 1a KSchG/§§ 9, 10 KSchG
Der RatSchTV Ang besteht grundsätzlich neben Sozialplänen, Abfindungen und anderen Leistungen, die der Abmilderung sozialer Härten nach Rationalisierung dienen. Keine der anderen Leistungen wird verdrängt; stattdessen kann es allenfalls zu einer Anrechnung der anderweitigen Ansprüche auf die Ansprüche aus dem RatSchTV Ang kommen.
Der Tarifvorbehalt nach § 77 Abs. 3 BetrVG ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.
11.8 Sperrfrist/Ruhen von ALG wegen Anspruchs aus RatSchTV Ang?
Wird im Rahmen einer Rationalisierungsmaßnahme eine Kündigung ausgesprochen oder ein Aufhebungsvertrag geschlossen, kann dem Arbeitssuchenden ein Ruhen von Arbeitslosengeld drohen, wenn der RatSchTV Ang nicht beachtet wurde (§§ 158, 159 SGB III). Das BSG hat beispielsweise noch zur alten Rechtslage (§ 143a SGB III a. F.) geurteilt, dass Ansprüche aus dem dort anwendbaren Rationalisierungsabkommen zur Anrechnung führen mussten.
Eine Sperrzeit wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung ist allerdings nicht ohne Weiteres anzunehmen.