Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- bzw Pflegeversicherung der Landwirte. rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht. Befreiungsantrag. Dreimonatsfrist. Fristversäumnis. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Einräumung einer angemessenen Überlegungsfrist. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Orientierungssatz
Bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht eines landwirtschaftlichen Unternehmers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist ein Befreiungsantrag nach § 4 Abs 1 KVLG 1989 abzulehnen, der erst nach Ablauf der Antragsfrist iSv § 4 Abs 2 S 1 KVLG 1989 gestellt wurde, wegen Versäumung der Antragsfrist abzulehnen. Die Rechtsprechung des BSG (vgl ua BSG vom 11.12.2002 - B 10 LW 14/01 R = SozR 3-5868 § 85 Nr 8) bzgl der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung ist auf die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte nach § 4 KVLG 1989 nicht übertragbar. Eine Rechtfertigung dafür, den Rechtsgedanken des § 34 Abs 2 S 3 ALG auf das allgemeine Krankenversicherungsrecht zu übertragen, gibt es nicht.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Januar 2007 abgeändert und die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Beitragspflicht des Klägers erst ab dem 06. Juli 2003 besteht.
II. Die Beklagten tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zu einem Viertel.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger ist seit Januar 1991 Geschäftsführer der B GmbH, an der er 36 % der Gesellschaftsanteile hält und für die er gemeinsam mit dem Prokuristen vertretungsbefugt ist. Die B GmbH bewirtschaftet seit 1991 eine landwirtschaftliche Fläche von rund 300 ha. Ferner ist der Kläger seit 15.01.1997 alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der B Pflanzenproduktion GmbH mit einem Gesellschaftsanteil von 31 %. Die B Pflanzenproduktion GmbH bewirtschaftet über 2.000 ha landwirtschaftliche Fläche.
Nach Prüfung der Tätigkeit des Klägers als GmbH-Geschäftsführer stellte die Barmer Ersatzkasse mit Bescheid vom 11.04.1995 fest, dass seit dem 01.11.1991 keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie keine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung bestehe. Der Kläger sei hauptberuflich selbständig tätig. Daher sei eine Umstellung des Versicherungsverhältnisses erforderlich. In der Krankenversicherung sei eine rückwirkende Änderung der Beiträge nicht nötig; bis zum 31.05.1994 werde es bei einer "Fehlversicherung" belassen. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung würden die zu Unrecht entrichteten Beiträge erstattet. Der Kläger wählte daraufhin eine private Krankenversicherung.
Die Sächsische Landwirtschaftliche Krankenkasse ( SLKK ), Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1., erhielt am 29.06.2001 von der Sächsischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft einen Katasterhinweis, wonach der Kläger an einem landwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt sei, das seit 01.01.1995 die Mindestgröße überschreite. Die SLKK übersandte daraufhin am 02.07.2001 an den Kläger einen Meldebogen zur Überprüfung der Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer. Der Kläger sandte den Meldebogen zurück und beantragte zugleich unter dem 21.07.2001 vorsorglich die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 02.07.2003 lehnte die SLKK die Befreiung von der auf landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit beruhenden Krankenversicherungspflicht ab, weil der Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach der am 01.01.1995 eingetretenen Versicherungspflicht gestellt worden sei. Mit weiterem Bescheid vom 02.07.2003 stellten die SLKK und die Sächsische Landwirtschaftliche Pflegekasse ( SLPK ), Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2., die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung vom 01.01.1995 bis 31.12.1997 sowie ab 01.01.1998 fest und setzten die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.12.1998 bis 30.06.2003 auf 22.354,54 € und ab dem 01.07.2003 auf monatlich 440,55 € fest. Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 22.07.2003 Widerspruch ein; auf das mögliche Bestehen einer Versicherungspflicht sei er erstmals mit Schreiben der SLKK vom 02.07.2001 aufmerksam gemacht worden. Mit Bescheid vom 16.01.2004 setzten die SLKK und die SLPK die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2004 auf monatlich 449,84 € neu fest.
Am 20.01.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben.
Die Beklagten haben mit Bescheid vom 27.01.2005 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2005 auf monatlich 414,39 € neu festgesetzt und mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2005 den Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger sei in der B Pflanzenproduktion GmbH und in der B GmbH hauptbe...