Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten des Wehrdienstes in der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit des § 256a Abs 4 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Für im Beitrittsgebiet geleistete Wehrdienstzeiten vor dem 1.1.1992 sind gemäß § 256a Abs 4 SGB VI bei der Bewertung von Beitragszeiten für jedes volle Kalenderjahr 0,75 Entgeltpunkte zugrunde zu legen. Dies gilt auch für im Beitrittsgebiet im Zeitraum vom 1.5.1961 bis 31.12.1981 abgeleisteten Wehrdienst. Die insoweit von der Bewertung des Wehrdienstes in den alten Bundesländern gemäß § 256 Abs 3 SGB VI abweichende Bewertung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 oder Abs 3 S 1 GG. Denn die in den alten Bundesländern erfolgte Beitragszahlung für den Wehrdienst, die im Beitrittsgebiet nicht vorgesehen war, stellt einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung dar.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1. März 2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger unter Bewertung der Pflichtbeitragszeit wegen der Ableistung des Grundwehrdienstes mit 1,0 statt 0,75 Entgeltpunkte (Ost) pro Jahr eine höhere Altersrente für langjährig Versicherte zusteht.
Der 1956 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 04.11.1975 bis 29.04.1977 seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) ab. Auf seinen Antrag vom 14.05.2020 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.2020 dem Kläger Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit einem Rentenbeginn ab 01.09.2020. Der monatliche Zahlbetrag belief sich auf 1.078,49 €; bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte den oben genannten Zeitraum des Grundwehrdienstes als Pflichtbeitragszeit und bewertete diesen mit 0,75 Entgeltpunkten pro Jahr. Hiergegen legte der Kläger am 21.07.2020 bei der Beklagten Widerspruch ein mit der Begründung, dass ein Wehrdienst in den alten Bundesländern mit 1,0 Entgeltpunkten pro Jahr bewertet werde; insoweit sei die Regelung des § 256a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) verfassungswidrig. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (ablehnender Widerspruchsbescheid vom 04.09.2020). Der Wehrdienst sei entsprechend den gesetzlichen Vorschriften mit 0,75 Entgeltpunkten bewertet worden.
Hiergegen hat der Kläger am 23.09.2020 Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben, mit der er sein Begehren im Wesentlichen mit gleicher Begründung weiterverfolgt hat. Die Klage richte sich gegen die Bewertung der Grundwehrdienstzeit bei der NVA der DDR mit 0,75 Entgeltpunkten pro Jahr nach § 256a Abs. 4 SGB VI. Würde für denselben Zeitraum der Wehrdienst im Altbundesgebiet geleistet, würde dieser mit 1,0 Entgeltpunkten pro Jahr bewertet. Insoweit liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) des vor.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2021 die Klage abgewiesen. Der eindeutige Wortlaut des § 256a Abs. 4 SGB VI erlaube keine Auslegung. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die seit 01.01.1992 unverändert geltende Vorschrift bestünden nicht.
Gegen den am 04.03.2021 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 30.03.2021 eingelegte Berufung des Klägers. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung bei der rentenrechtlichen Bewertung des Grundwehrdienstes in der Bundesrepublik und dem Beitrittsgebiet im Zeitraum zwischen 01.05.1961 und 31.12.1981 sei nicht ersichtlich. Zwar seien die Zeiten des Grundwehrdienstes bei der NVA der DDR nach dem Recht der DDR keine Beitragszeiten gewesen, gleichwohl seien sie bei Begründung und Höhe des Rentenanspruchs aber wie Beitragszeiten behandelt worden. Entgegen der vom Sozialgericht geäußerten Rechtsauffassung sei auch die pauschale Beitragszahlung des Bundes keine einen höheren Leistungsanspruch begründende Beitragszahlung in dem Sinn, dass es sich um Rentenversicherungsbeiträge handele, die nach dem Beitragsrecht bemessen seien und sich individuell zuordnen ließen. Eine individuelle Beitragsberechnung bezogen auf vom einzelnen Versicherten zurückgelegte Diensttage sei gerade nicht erfolgt. Die einschlägigen Vorschriften stellten auf die durchschnittlichen Arbeitsentgelte aller Versicherten ab. Die Diensttage seien nur für den Gesamtbestand der Grundwehrdienstleistenden zum Zwecke der Berechnung der vom Bund zu zahlenden Beiträge für diesen Gesamtbestand zu ermitteln gewesen. Dabei seien die Diensttage nur alle vier Jahre ermittelt worden. Den Anforderungen des BSG an eine einen höheren Leistungsanspruch begründende Beitragszahlung genüge die Pauschalbeitragszahlung für Grundwehrdienstleistende der Bundeswehr somit nicht. Eine tatsächliche Beitragszahlung der Versicherten liege nicht vor. Im Ergebnis erfolge die Finanzierung von aus der Ab...