Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenkassenwahlrecht. Sonderkündigungsrecht. Beitragssatzerhöhung beim Zusammentreffen mit einer Kassenfusion. Kassenwechsel nach Lösung der bisherigen Mitgliedschaft. keine Geltung der Fristen bei rechtswidriger Verweigerung der Ausstellung einer Kündigungsbestätigung. Rückwirkung des Wahlrechts. kein Schadenersatzanspruch bei wettbewerbswidrigem Verhalten eines anderen Krankenversicherungsträgers. keine Schaffung wettbewerbsrechtlicher Ausgleichsansprüche durch Rechtsfortbildung. Folgenbeseitigungsanspruch bei fehlerhaftem Handeln einer Krankenkasse im Hinblick auf den Risikostrukturausgleich
Orientierungssatz
1. Das Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs 4 S 5 SGB 5 besteht auch dann, wenn die Beitragssatzerhöhung mit einer Kassenfusion zusammentrifft (vgl BSG vom 2.12.2004 - B 12 KR 23/04 R = SozR 4-2500 § 175 Nr 1).
2. Für den Kassenwechsel sieht das Gesetz ein mehrgliedriges Verfahren vor, das die Begründung der neuen Mitgliedschaft mit der Lösung der unmittelbar vorangehenden verzahnt (vgl BSG vom 13.6.2007 - B 12 KR 19/06 R = SozR 4-2500 § 175 Nr 2).
3. Die Frist des § 175 Abs 4 S 4 SGB 5 für die Wahl und für den Nachweis der Wahl einer neuen Krankenkasse gilt nicht, wenn die gekündigte Krankenkasse durch die rechtswidrige Weigerung, eine Kündigungsbestätigung auszustellen, die Ursache dafür setzt, dass das Verfahren zum Wechsel der Krankenkasse nicht den im Gesetz vorausgesetzten Ablauf nehmen kann (vgl BSG vom 2.12.2004 aaO).
4. Das durch § 175 Abs 4 S 4 SGB 5 geschützte Interesse an der Klärung des Versicherungsverhältnisses besteht nicht, wenn zwischen dem Versicherten und der gekündigten Krankenkasse über das Recht zur Kündigung gestritten wird. In einem solchen Falle weiß die gekündigte Krankenkasse, dass die Wahl einer neuen Krankenkasse während des Streitverfahrens in Betracht kommt (vgl BSG vom 2.12.2004 aaO).
5. Für die gewählte Krankenkasse gilt der sowohl in § 175 Abs 3 SGB 5 als auch in den Regelungen zur Ausübung des Wahlrechts in § 175 Abs 4 SGB 5 zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die Wahl einer Krankenkasse grundsätzlich zukunftsbezogen geschieht. Soweit die gewählte Krankenkasse nicht selbst die Ausübung des Wahlrechts verhindert hat, besteht kein schützenswertes Interesse des Versicherten, ein Wahlrecht für die Zeit vor der tatsächlichen Ausübung wirksam werden zu lassen (vgl BSG vom 2.12.2004 aaO).
6. Eine Krankenkasse hat keinen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr aus wettbewerbswidrigen Verhalten einer anderen Kasse entsteht (vgl BSG vom 31.3.1998 - B 1 KR 9/95 R = SozR 3-2500 § 4 Nr 1).
7. Eine Rechtsfortbildung durch Schaffung wettbewerbsrechtlicher Ausgleichsansprüche in Analogie zum privaten Wettbewerbsrecht scheidet aus, weil die Bedeutung des Wettbewerbs zwischen den Krankenkassen auf der einen und zwischen Konkurrenten in der Privatwirtschaft auf der anderen Seite nicht vergleichbar ist (vgl BSG vom 31.3.1998 aaO).
8. Wie bei § 86 SGB 10 gilt für § 175 SGB 5 erst recht, dass zwar für den Fall der sich gegenseitig beeinflussenden Pflichten im Gesetz zumindest die Verpflichtung besteht, bei widerstreitenden gegenseitigen Interessen auch die Belange des anderen Versicherungsträgers angemessen zu berücksichtigen. Bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit muss der fehlerhaft handelnde Versicherungsträger, soweit keine anderen, abschließend die Ansprüche regelnden Vorschriften existieren, den durch dieses fehlerhafte Handeln betroffenen Versicherungsträger so stellen, als sei der Fehler nicht geschehen. Aus § 3 Abs 1 und 4 RSAV iVm § 12 der auf der Grundlage des § 267 Abs 7 SGB 5 ergangenen Bestimmung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen folgt, dass für die Zwecke des Risikostrukturausgleichs eine derartige Korrektur eröffnet ist.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 01. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird für das Klage- und Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beigeladene in der Zeit vom 01.08.2004 bis 31.12.2004 bei der klagenden oder der beklagten Krankenkasse Mitglied gewesen ist.
Die Beigeladene war seit dem 01.01.2004 Mitglied der Taunus BKK, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten. Unter Beibehaltung des Namens Taunus BKK erfolgte zum 01.04.2004 eine Fusion mit der BKK Braunschweig. Nach dieser Vereinigung lag der allgemeine Beitragssatz der Beklagten höher als derjenige der Taunus BKK zuvor. Die Beigeladene kündigte daraufhin im April 2004 ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten. Diese teilte der Beigeladenen mit Schreiben vom 26.04.2004 mit, sie könne der Kündigung zum 30.06.2004 nicht entsprechen, da sich aus der Beitragsfestsetzung infolge der Fusion von Taunus BKK und BKK Braunschweig kein Sonderkündigungsrecht ergebe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Wi...