Rz. 12
Abs. 2 ergänzt vorübergehend § 151 Abs. 3. Dort sind Sachverhalte geregelt, bei deren Vorliegen ein anderes als das an sich im Regelfall festzustellende Arbeitsentgelt der Bemessung des Alg zugrunde zu legen ist (bei Kug u.ä. zur Vermeidung von Saison-Kug, bei Wertguthabenvereinbarung, bei außerbetrieblicher Berufsausbildung). So soll es sich auch für Zeiten verhalten, die in den Bemessungszeitraum fallen und in denen die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit aufgrund kollektivrechtlicher Beschäftigungssicherungsvereinbarung vorübergehend gemindert ist. Die Folge einer Regelbemessung wäre, dass nur das in der verminderten Arbeitszeit erzielte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen wäre. Gilt jedoch die Beschäftigungssicherungsvereinbarung ab dem 1.3.2020 oder ab einem späteren Datum, ist das Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde zu legen, das der Arbeitslose ohne diese Vereinbarung, also als Regelarbeitsentgelt erzielt hätte. Hypothetische Mehrarbeitsvergütung geht nicht in die Bemessung des Alg ein. Die Sonderregelung ist nicht anzuwenden, wenn entweder nur das Arbeitsentgelt bei unveränderter Arbeitszeit vermindert wurde oder die Arbeitszeit ausgedehnt wurde, ohne dass eine Arbeitsentgelterhöhung damit einherging.
Rz. 13
Das bedeutet, dass der Gesetzgeber die Regelung gezielt auf die Folgen der Corona-Pandemie konzentriert hat. Daraus erklärt sich der Beginn des Zeitraumes ab dem 1.3.2020. Vorherige Beschäftigungssicherungsvereinbarungen dürften nicht kausal aufgrund der Pandemie geschlossen worden sein. Abs. 2 erfasst ausschließlich kollektivrechtliche Vereinbarungen, individualrechtliche Vereinbarungen im Einzelfall zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber also nicht. Grundlage für die Überlegungen ist § 92a BetrVG, es geht darum, dass die Arbeitszeit von Arbeitnehmern vorübergehend vermindert wird, ohne den Stundenlohn zu verändern, um im Gegenzug betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Anders als nach § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, wonach diese Zeiten bei der Bemessung nicht zum Bemessungszeitraum gehören würden, ist der Bemessung praktisch die unverminderte Arbeitszeit zugrunde zu legen. Der Begriff "vorübergehend" umfasst abweichend von § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 auch Zeiträume, die länger als 3 Monate sind. Anders als nach § 421t Abs. 7 a. F. und § 419 Abs. 7 a. F. in der Finanzkrise ab 2008 werden mit Abs. 2 nur kollektivrechtliche Beschäftigungssicherungsvereinbarungen berücksichtigt, die Minderung der Arbeitszeit und des Arbeitsentgelts muss vorübergehend, darf also nicht auf Dauer, sein.
Rz. 14
Arbeitnehmer werden durch Abs. 2 bei den Arbeitszeitverminderungen begünstigt, die bis zum 31.12.2022 in den Bemessungszeitraum fallen. Bei regelmäßigem Bemessungszeitraum kann das typischerweise noch für 1 Monat der Fall sein, wenn der Anspruch auf Alg am 1.12.2023 entsteht, in den Fällen des verlängerten Bemessungszeitraumes nach § 150 Abs. 3 auch noch bei einem Ende des Bemessungszeitraumes am 30.11.2024. Das Ende des begünstigenden Zeitraumes dürfte sich an dem verlängerten Bemessungszeitraum orientiert haben.
Rz. 15
Erstmals greift Abs. 2 daher schon dann, wenn der März 2020 mit kollektivrechtlich verminderter Arbeitszeit in den Bemessungszeitraum fiel, also durchaus möglich bei einer Entstehung des Anspruchs auf Alg am 1.4.2020. Das hat zur Folge, dass nicht nur Ansprüche auf Alg betroffen sind, die ab dem Tag nach Verkündung des Beschäftigungssicherungsgesetzes entstehen bzw. entstanden sind, sondern auch Ansprüche auf Alg, die bereits zuvor entstanden sind. Diese Fälle können von der Bundesagentur für Arbeit nicht gezielt aus den gespeicherten Datensätzen ausgelesen werden, weil sie schon mangels einer existenten Regelung nicht in ein Kennzeichnungsverfahren eingegangen sind. Bei den betroffenen Arbeitnehmern kann deshalb ein zu geringes Arbeitsentgelt der Bemessung des Alg zugrunde gelegt worden sein. Abs. 2 Satz 3 verpflichtet die Agentur für Arbeit nun nicht dazu, alle Fälle seit dem 2.3.2020 zu überprüfen und auch nicht dazu, von Amts wegen jeden aus anderem Anlass zu bearbeitenden Fall auf ein Anwendungserfordernis des § 421d Abs. 2 zu überprüfen. Vielmehr ist der Arbeitslose gehalten, sich an die Agentur für Arbeit zu wenden und unter Nachweis der einschlägigen Tatsachen eine Korrektur zu verlangen. Die Agentur für Arbeit muss jedenfalls jedem Verlangen nachgehen und ggf. erforderliche Nachweise anfordern. Bei Korrekturverlangen ohne Nachweis wird das höhere Alg entweder mit zur Vorlage der Nachweise zu versagen sein (§§ 60, 66 SGB I) bzw. ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X abzulehnen sein. Eines Verfahrens nach § 44 SGB X bedarf es nicht, wenn bei Eingang des Verlangens durch den Arbeitslosen die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Rz. 15a
Bei einer Teilzeiteinschränkung nach § 151 Abs. 5 bleibt die Reduzierung der Arbeitszeit aufgrund der kollektivrechtlichen Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung nach den für die Agenturen für Arbeit geltenden Weisungen außer Betracht.