Rz. 9
Abs. 2 trägt der wachsenden Bedeutung des Ehrenamtes bei der Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben Rechnung. Die Regelung baut Hindernisse ab, die der Übernahme von Ehrenämtern trotz hohen gesellschaftlichen Bedürfnissen entgegenstehen. Arbeitslose sollen wie Beschäftigte ehrenamtlich tätig sein können. Abs. 2 tritt der These des BSG entgegen, wonach Verfügbarkeit ausgeschlossen sein sollte, wenn sich bei rückschauender Betrachtung ergibt, dass eine Beschäftigung wegen der ehrenamtlichen Tätigkeit für den Zeitraum nicht aufgenommen werden konnte, für den die Leistungen begehrt wurden. Die Vorschrift beseitigt die zeitliche Eingrenzung ehrenamtlicher Betätigung auf unter 15 Stunden wöchentlich. Sie ist in einem engen Zusammenhang mit den Anforderungen an Eigenbemühungen und der Verfügbarkeit zu betrachten. Eine Rechtsverordnung des früheren Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) grenzt die ehrenamtliche Betätigung von den dabei maßgebenden Erfordernissen der beruflichen Eingliederung aufgrund der Ermächtigung in § 163 Nr. 4 ab (Verordnung über die ehrenamtliche Betätigung von Arbeitslosen v. 24.5.2002 [BGBl. I S. 1783], in der ab 1.1.2013 maßgebenden Fassung des Ehrenamtsstärkungsgesetzes). Zur Versicherungspflicht ehrenamtlicher Bürgermeister vgl. BSG, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 12/05 R (gesetzliche Rentenversicherung), sie sind abhängig beschäftigte Personen, wenn sie auch Verwaltungstätigkeiten ausüben. Auch Beigeordnete, die nicht nur repräsentative Funktionen ausführen, stehen regelmäßig in einem Beschäftigungsverhältnis, nicht jedoch Abgeordnete in den Parlamenten. § 27 Abs. 3 Nr. 4 stellt ehrenamtliche Bürgermeister und Beigeordnete von der Versicherungspflicht frei. Zu diesen Ehrenämtern gehören nicht nur ehrenamtlich tätige Bürgermeister und Beigeordnete in kleinen Gemeinden, sondern alle Personen, die im kommunalen Bereich auf der Leitungsebene aufgrund eines Wahlamtes ehrenamtlich tätig sind, z. B. auch der ehrenamtliche stellvertretende Landrat nach dem bayerischen Kommunalverfassungsrecht (BSG, Urteil v. 27.1.2010, B 12 KR 3/09 R). Im Ergebnis werden durch Abs. 2 nicht alle Merkmale der Arbeitslosigkeit schlicht ersetzt, was sich bei den Eigenbemühungen und der Erreichbarkeit erweist.
Rz. 9a
Die Arbeitsverwaltung lässt verfügbarkeitsunschädliche Ortsabwesenheit bis zu insgesamt 6 Wochen im Kalenderjahr zur Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit zu (vgl. § 164 Nr. 2 und dortige Komm.). Die Regelung des § 428 mit der Folge möglicher 17 Wochen Ortsabwesenheit ist ausgelaufen.
Rz. 10
Die ehrenamtliche Betätigung selbst ist nicht definiert. Ohne spezialgesetzliche Festlegungen lässt sich aber zusammenfassen, dass ehrenamtliche Tätigkeit unentgeltlich ist, sie dient dem Gemeinwohl und wird bei einer Organisation ausgeübt, die ohne Gewinnerzielungsabsicht Aufgaben durchführt, die im öffentlichen Interesse liegen (vgl. § 1 Abs. 1 RVO) bzw. gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke gefördert werden. Auslagenerstattungen berühren die Unentgeltlichkeit nicht, wenn die Auslagen durch die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit entstehen. Auch Auslagenersatz in pauschaler Höhe bis zu 200,00 EUR monatlich steht der Unentgeltlichkeit nicht entgegen. § 1 Abs. 2 Satz 3 der VO bestimmt jedoch, dass eine Pauschalierung des Auslagenersatzes neben einer nicht steuerpflichtigen Aufwandsentschädigung, die der ehrenamtlich tätige Arbeitslose erhält, nur möglich ist, soweit die Auslagenpauschale zusammen mit der nicht steuerpflichtigen Aufwandsentschädigung 200,00 EUR monatlich nicht übersteigt. Ehrenamtliche Tätigkeiten können gesetzlich festgelegt sein (z. B. auch die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung). Gemeinnützige Tätigkeiten zur Befriedigung allgemeiner gesellschaftlicher Bedürfnisse finden sich vor allem im kirchlichen Umfeld und der Wohlfahrt sowie beim Amateursport und im kulturellen Bereich. Jegliche Gewinnerzielungsabsicht steht einer ehrenamtlichen Tätigkeit i. S. d. Abs. 2 entgegen. Aufgrund der gesetzgeberischen Intention ist ein großzügiger Maßstab geboten. Insbesondere ist eine ehrenamtliche Betätigung nicht auf Arbeiten in einer Organisation beschränkt, wenn dies auch typisch sein mag. Dienste in Not- und Katastrophenfällen behandeln die Agenturen für Arbeit wie ehrenamtliche Tätigkeiten.
Rz. 11
Eine ehrenamtliche Tätigkeit beeinträchtigt die berufliche Eingliederung nicht, wenn der Arbeitslose uneingeschränkt Eigenbemühungen im gesetzlich geforderten Umfang zur Beendigung seiner Beschäftigungslosigkeit unternehmen kann (vgl. § 2 Satz 3 Nr. 1 RVO). Außerdem darf die ehrenamtliche Tätigkeit nicht dazu führen, dass der Arbeitslose abgesehen von den Privilegien der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) Vorschlägen der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich nachkommen kann (vgl. § 2 Satz 3 Nr. 2 RVO). Arbeitslose sind nicht verpflichtet, ohne jegliche Freizeitaktivitäten nur Eigenbemühungen anzustellen. Daher werden die Aktivitäten nur bei ehrenamtlicher Tätigkeit behindert, die dem...