Rz. 3
Die Entlassungsentschädigung ist ein Sammelbegriff für alle Leistungen, die der Arbeitslose im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis erhält oder zu beanspruchen hat. Der Begriff der Entlassungsentschädigung ist daher zunächst umfassend, bezogen auf das Alg wie auf das Teil-Alg. Abs. 1 Satz 1 nennt beispielhaft die Abfindung und Entschädigung, aber auch den Begriff ähnliche Leistungen und verdeutlicht damit, dass es nicht auf die Bezeichnung, sondern den Charakter der Leistung ankommt. Deshalb werden als Entlassungsentschädigung auch in Abhängigkeit von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte "vorzeitige Renten" und "Darlehen" zu qualifizieren sein. Es spielt auch keine Rolle, aus welchem Rechtsgrund sie anfällt oder ob sie freiwillig geleistet wird, wann und in welcher Weise sie fällig oder ausgezahlt wird oder aus welchen Komponenten ihre Höhe ermittelt worden ist.
Eine Abfindung nach § 1a KSchG ist aber keine Entlassungsentschädigung. Voraussetzung für eine solche Abfindung ist, dass der Arbeitgeber die Kündigungserklärung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt und den Arbeitnehmer darauf hingewiesen hat, dass er bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Eine Betriebsschließung ist ein typischer Fall für die Berechtigung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Deshalb findet Abs. 1 Satz 4 in Fällen einer Entlassungsentschädigung nach § 1a KSchG keine Anwendung. Auf eine nach Tarifvertrag ggf. nur in geringerem Umfang zu zahlende Abfindung kommt es im Rahmen des § 158 nicht an, die Zahlung nach § 1a KSchG verdrängt den Anspruch auf die tarifliche Abfindung. Diese ist auch nicht in der Abfindung nach § 1a KSchG versteckt oder kann neben dieser beansprucht werden. Daher kann die nach Tarifvertrag zustehende Abfindung das Ruhen des Alg nicht bewirken (vgl. auch BAG, Urteil v. 16.12.2010, 6 AZR 423/09, DB 2011 S. 760). Daran ändert nichts, dass die Zahlung im KSchG als Abfindungsanspruch bezeichnet wird und ein allgemeiner Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung der Abfindung besteht, denn es fehlt an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Entstehung des Abfindungsanspruchs. Der Abfindungsanspruch entsteht erst, wenn die Arbeitgeberkündigung als rechtswirksam gilt (gesetzliche Fiktion) und die ordentliche Kündigungsfrist abgelaufen ist (BSG, Urteil v. 8.12.2016, B 11 AL 5/15 R, NZS 2017 S. 310 unter Hinweis auf BAG, Urteil v. 10.5.2007, 2 AZR 45/06, NJW 2007 S. 3086). Im entschiedenen Verfahren lagen die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht vor. Die Nichtanwendung des Abs. 1 Satz 4 beruht auf der Zielsetzung, einen Wertungswiderspruch zu Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 zu vermeiden. Auch sollen verminderte Arbeitsrechtsstreitigkeiten nicht vor den Sozialgerichten nachgeholt werden.
Die Vorschrift stellt auch nicht darauf ab, wer die Entlassungsentschädigung erbringt oder zu erbringen hat, z. B. nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von einer betrieblichen Versorgungseinrichtung oder einem neuen Betriebsinhaber (§ 613 a BGB) gezahlt wird. Entscheidend ist, dass sie letztlich aus Mitteln des Arbeitgebers geleistet wird. Ebenso ist bedeutungslos, ob der Arbeitslose die Entlassungsentschädigung selbst erhalten hat oder lediglich von Verbindlichkeiten frei geworden ist, z. B. in den Genuss eines geldwerten Vorteils durch Zahlung an einen Gläubiger kommt. Entlassungsentschädigung ist damit grundsätzlich jede Leistung, die in irgendeiner Weise die im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes stehenden materiellen und immateriellen Nachteile für den Arbeitnehmer ausgleichen oder vermindern soll. Das trifft auch auf Entlassungsentschädigungen zu, die zur Erledigung arbeitsrechtlicher Ansprüche des Arbeitnehmers gezahlt werden, weil es zur tatsächlichen Aufnahme des vereinbarten Arbeitsverhältnisses nicht kommt. Ein Anwendungsfall des § 158 ist auch gegeben, wenn nach einer unbegründeten außerordentlichen Kündigung, z. B. wegen Formverstoß, das Arbeitsverhältnis durch arbeitsgerichtliches Urteil zum Zeitpunkt der Kündigung gegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung beendet wird.
Rz. 3a
Das Hessische LSG ist der Auffassung, dass arbeitsgerichtlich festgesetzte Entlassungsentschädigungen die Rechtsfolge des § 158 nicht auslösen können. Nach § 9 Abs. 2 KSchG dürften die Arbeitsgerichte die Entschädigung nur für die Zeit nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist festsetzen. Demzufolge kann in der so festgesetzten Entlassungsentschädigung kein Arbeitsentgelt i. S. d. § 158 enthalten sein. § 158 gehe in typisierender Weise davon aus, dass jede Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werde, in bestimmtem Umfang eine Entschädigung für ausgefallenes Arbei...