0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch Art. 1 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2004 (BGBl. I S. 2848) mit Wirkung zum 1.1.2004 geändert worden. Die Änderungen waren rein redaktioneller Natur. Zuletzt ist die Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) zum 1.4.2012 geändert worden. Der Inhalt von § 188 a. F. ist nun in § 170 enthalten, ohne dass sich inhaltliche Veränderungen ergeben hätten. Gegenüber dem bisherigen § 185 a. F. sind Anpassungen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männer erfolgt (BT-Drs. 17/6277, Begründung zu Art 2 Nr. 18, S. 105).
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift regelt die Rechtsfolgen, wenn der Arbeitnehmer Ansprüche auf Arbeitsentgelt übertragen hat oder Pfandrechte an den Entgeltansprüchen bestehen. Sie entspricht im Wesentlichen § 141k AFG, engt jedoch die Möglichkeiten zur Übertragung und Verpfändung von Arbeitsentgeltansprüchen zur Vorfinanzierung der Entgelte ein. In der Praxis dient die Abtretung vielfach dem Ziel, mit Hilfe der abtretenden Arbeitsentgeltansprüche den Betrieb für eine begrenzte Zeit fortzuführen. Hintergrund der Regelung ist, dass das Insolvenzgeld vielfach der Fortführungsfinanzierung im Wege der Vorfinanzierung dient. Der Möglichkeit der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes kommt regelmäßig entscheidende Bedeutung für die vorläufige Betriebsfortführung zu (vgl. Hunold, NZI 2015 S. 785). Die Vorfinanzierung erfolgt i. d. R. durch einen Abkauf der Lohnforderung des Arbeitnehmers durch eine Bank. Der Arbeitnehmer erhält als Gegenleistung eine dem Nettolohn entsprechende Zahlung. Nach Eintritt des Insolvenzereignisses realisiert die vorfinanzierende Bank den zu den erworbenen Arbeitsentgeltansprüchen gemäß § 170 Abs. 4 akzessorischen Insolvenzgeldanspruch.
2 Rechtspraxis
2.1 Übertragene Entgeltansprüche (Abs. 1)
Rz. 2
Soweit Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den Insolvenzgeldzeitraum auf einen Dritten übertragen worden sind, bevor der Arbeitnehmer das Insolvenzgeld beantragt hat, steht auch der Anspruch auf Insolvenzgeld dem Dritten zu. Absatz 1 sichert insoweit die Akzessorität von Arbeitsentgelt und Insolvenzgeld. Kraft Verweisung (vgl. § 400 BGB) gelten die Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 bis 850i ZPO. Nach § 850a ZPO sind u. a. Mehrarbeitsvergütungen zur Hälfte, das Urlaubsgeld, Jubiläumsgelder, Auslösungen, Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen oder Heirats- und Geburtsbeihilfen unpfändbar.
Rz. 3
Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur Forderungsübergänge durch Rechtsgeschäft (Abtretung gemäß § 398 BGB) erfasst. Das BSG hat jedoch bereits zu § 141k AFG entschieden, dass der Tatbestand der Übertragung auch in den Fällen des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 412 BGB erfüllt ist, wenn der Gläubiger unterhaltssichernde Geldleistungen erbracht hat (BSG, Urteil v. 23.2.1988, SozR 4100, § 141k Nr. 4). Da der Gesetzgeber die Regelung des AFG in Kenntnis dieser Rechtsprechung übernommen hat, ohne eine Klarstellung vorzunehmen, hat diese erweiternde Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin Bestand. Zahlt die Krankenkasse bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers Krankengeld, obwohl ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den zahlungsunfähigen Arbeitgeber besteht, geht der Arbeitsentgeltanspruch auf die Krankenkasse nach § 115 SGB X über und begründet bei Insolvenz des Arbeitgebers grundsätzlich einen Insolvenzgeldanspruch nach § 170 Abs. 1 Der Übergang des Entgeltanspruchs auf die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge wird dagegen nicht von § 170 umfasst (allg. Meinung, vgl. Krodel, in Niesel, SGB III, § 188 Rz. 4 m. w. N.).
Rz. 4
Folge der Abtretung des Arbeitsentgeltanspruchs ist der durch den Eintritt des Insolvenzereignisses bedingte Übergang des Anspruchs auf Insolvenzgeld auf den Abtretungsempfänger. Auch Zinsen und Nebenforderungen gehen dabei über. Die Bundesagentur für Arbeit kann mit befreiender Wirkung das Insolvenzgeld an den Arbeitnehmer zahlen, wenn sie von der Abtretung keine Kenntnis hat, § 407 BGB. Hat die Bundesagentur dagegen Kenntnis von der Abtretung und der Person des Erwerbers, kommt eine Zahlung mit befreiender Wirkung nur an den Erwerber in Betracht.
2.2 Pfandrechte am Arbeitsentgeltanspruch (Abs. 2 und 3)
Rz. 5
Sind Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den Insolvenzgeldzeitraum verpfändet oder gepfändet worden, bevor der Arbeitnehmer den Antrag auf Insolvenzgeld gestellt hat, besteht das Pfandrecht auch an dem Anspruch auf Insolvenzgeld, Abs. 2. Kraft Verweisung (vgl. § 1274 Abs. 2 BGB) gelten auch bei vertraglichen Pfandrechten die Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 bis 850i ZPO. Das Pfandrecht an den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt erlischt, wenn die Ansprüche auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind – also der Antrag auf Insolvenzgeld gestellt worden ist, § 169 – und sie das Insolvenzgeld an den Berechtigten gezahlt hat. Dies sind gemäß § 1281 BGB vor Fälligkeit der gesicherten Forderung (Pfandreife gemäß § 1282 BGB) der Arbeitnehmer und die Pfandgläubiger gemeinschaftlich, nach Pfandreife ausschließlich der Pfandgläubiger.
Rz...