Rz. 29
In Bezug auf Personen, die arbeitslos sind und deren berufliche Eingliederung aufgrund von schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen besonders erschwert ist, verpflichtet Abs. 1 Satz 2 für den Regelfall zu Aktivierungsmaßnahmen als arbeitsmarktpolitisches Instrument der Arbeitsförderung. Als Soll-Vorschrift ausgestaltet, steht den Agenturen für Arbeit nur ein sehr eingeschränkter Gestaltungsspielraum zu. Der Gesetzgeber hat bereits vorgegeben, dass von der Charakterisierung her nur Aktivierungsmaßnahmen und nicht solche zur beruflichen Eingliederung in Betracht kommen. Das Soll bezieht sich allerdings auf die weitere Vorgabe des Gesetzgebers, die zu fördernden Aktivierungsmaßnahmen so auszugestalten, dass sie nach Inhalt und Dauer den erhöhten Stabilisierungs- und Unterstützungsbedarf der arbeitslosen förderungsberechtigten Teilnehmer berücksichtigen. Das besondere Erschwernis einer beruflichen Eingliederung aufgrund schwerwiegender Vermittlungshemmnisse wird ebenfalls Tatbestandsmerkmal in Abs. 8 für verlängerte Dauern von Aktivierungs- und beruflichen Eingliederungsmaßnahmen. Die Soll-Vorschrift bezieht sich auf die Berücksichtigung des besonderen Stabilisierungs- und Unterstützungsbedarfs. Bei dem definierten Personenkreis darf demnach nur im atypischen Ausnahmefall eine Regelmaßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gefördert werden. Das kann etwa der Fall sein, wenn zwar ein oder mehrere schwerwiegende Vermittlungshemmnisse festgestellt worden sind, die in der Gesamtschau die berufliche Eingliederung auch besonders erschweren, für eine in Betracht zu ziehende tatsächliche berufliche Eingliederung jedoch nur wenige Teilaspekte als Vermittlungsdefizite relevant sind, die durch eine Regelmaßnahme zur Aktivierung oder beruflichen Eingliederung möglicherweise sogar besser oder in kürzerer Frist beseitigt oder ausreichend abgemildert werden können. Außerdem kommen z. B. Terminprobleme in Betracht, die dazu nötigen, zur Realisierung einer in Aussicht stehenden beruflichen Eingliederung eine Regelmaßnahme zu absolvieren als eine besonders konzipierte Maßnahme abzuwarten.
Rz. 30
Als schwerwiegendes Vermittlungshemmnis, das die berufliche Eingliederung besonders erschwert, benennt der Gesetzgeber selbst die Dauer der Arbeitslosigkeit, woraus sich für den Regelfall ergibt, dass Langzeitarbeitslosigkeit jedenfalls ein schwerwiegendes Vermittlungshemmnis mit den geforderten Folgen für den Arbeitslosen darstellt. Im begründeten Einzelfall können aber auch kürzere Zeiten der Arbeitslosigkeit die berufliche Eingliederung besonders erschweren, etwa, wenn Langzeitarbeitslosigkeit nach den Vorgaben des § 19 zwar nicht mehr vorliegt, gleichwohl aber die Gesamtdauer von Arbeitslosigkeit bzw. Zeiten der Nichtbeschäftigung das besondere Erschwernis bestätigt hat.
Rz. 31
Die Beratungs- und Vermittlungsfachkraft der Agentur für Arbeit hat im Einzelfall festzustellen, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 2 vorliegen. Das kann auch der Fall sein, wenn die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht allein ein schwerwiegendes Vermittlungshemmnis darstellt, sich aber zusammen mit weiteren Vermittlungshemmnissen ein solches Defizit beim Arbeitslosen ergibt, dass aufgrund der anzustellenden Prognose der Fachkraft die berufliche Eingliederung besonders erschwert ist. Solche Vermittlungshemmnisse können sich aus arbeitsmarktbezogenen oder personenbezogenen Umständen ergeben, wie z. B. ein fortgeschrittenes Alter, gesundheitliche Beeinträchtigungen, psychische Labilität, mangelnde Schulbildung, mangelnde berufliche Qualifikation, Suchtproblematiken u. a. Einzelne oder kumulierte Vermittlungshemmnisse müssen für Abs. 1 Satz 2 dazu führen, dass sie als schwerwiegendes Vermittlungshemmnis anzusehen sind, weil das Hemmnis im Vergleich zu anderen Hemmnissen besonders auf die Vermittlungsfähigkeit des Arbeitslosen ausschlägt und als Folge die berufliche Eingliederung kausal nicht nur erschwert, sondern besonders erschwert ist, im Einzelfall also einer Einstellung durch den Arbeitgeber so entgegensteht, dass ein Ausgleich nicht durch eine niedrigschwellige arbeitsmarktpolitische Maßnahme möglich ist. Die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 2 können schließlich auch durch ein oder mehrere Vermittlungshemmnisse erfüllt sein, ohne dass die Dauer der Arbeitslosigkeit überhaupt dazugehört. Insoweit ist die vom Gesetzgeber explizit genannte Dauer der Arbeitslosigkeit als exemplarisches, auch typisierendes Regelbeispiel anzusehen.
Rz. 32
Rechtsfolge des Abs. 1 Satz 2 sind spezielle Aktivierungsmaßnahmen, die nach ihrer inhaltlichen Konzeption und der veranschlagten Dauer darauf angelegt sind, das besondere Erschwernis der beruflichen Eingliederung oder den schwerwiegenden Charakter des Vermittlungshemmnisses zu lindern oder zu beseitigen.
Rz. 33
Durch die Einschränkung des Gesetzgebers auf Aktivierungsmaßnahmen sind ausreichende konzeptionelle Hinweise ergangen. Aktivieren bedeutet schon dem Wortlaut nach die Beendigung oder Vermeidung eines passiven ...