BAG, Urteil v. 12.12.2017, 9 AZR 152/17
Leitsatz (amtlich)
Verlangt der nicht berücksichtigte Bewerber Schadensersatz wegen Abbruch des Auswahlverfahrens, muss er zuvor die Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht haben, wenn ihm dies zumutbar und möglich war.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall schrieb die Beklagte im August 2014 unter der Nr. 01/2014 eine befristete Stelle als "Sachgebietsleiter/in Bauverwaltung" aus. Neben dem Kläger, der die in der Ausschreibung genannten Anforderungen erfüllte, kamen noch 3 Mitbewerber in die nähere Auswahl. Bei der Abstimmung des Gemeinderats erhielt jedoch eine der Mitbewerberinnen die meisten Stimmen. Nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Bürgermeister unterrichtete dieser am Folgetag die Bewerber über die getroffene Auswahlentscheidung. Im Dezember 2014 schrieb die Beklagte die Stelle erneut aus unter der Nr. 02/2014. Der Kläger bewarb sich auch auf diese Ausschreibung und forderte die Beklagte gleichzeitig erfolglos auf, das Stellenbesetzungsverfahren 01/2014 fortzusetzen. Nachdem die darauf gerichtete Klage vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht Erfolg hatte, wurde der Kläger für den 30.11.2015 zu einem weiteren Gespräch in die Sitzung des Gemeinderats geladen. Er erklärte jedoch, der Einladung nicht zu folgen, und machte gegenüber der Beklagten dem Grunde nach Schadensersatz für die Monate Januar bis November 2015 in Höhe der ihm entgangenen Vergütung geltend. Am selben Tag stimmte der Gemeinderat der Beklagten erneut über die Besetzung der Stelle ab. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger der einzige noch zur Wahl stehende Kandidat. Allerdings stimmten alle anwesenden Mitglieder des Gemeinderats gegen die Besetzung der Stelle mit dem Kläger. Hierüber wurde der Kläger am 4.12.2015 informiert. Die Stelle wurde dann unter dem 21.1.2016 erneut ausgeschrieben, worauf sich der Kläger nicht bewarb und sie somit anderweitig besetzt wurde.
Mit seiner am 24.2.2016 eingegangenen Klage hatte der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiterverfolgt. Er begründete dies damit, dass er im Wege des Schadensersatzes vergütungsmäßig so zu stellen sei, als wäre ihm die Stelle als Sachgebietsleiter Bauverwaltung mit Wirkung zum 1.1.2015 übertragen worden; denn die Beklagte hätte die Stelle mit ihm besetzen müssen. Spätestens als er am 30.11.2015 der einzig verbliebene Bewerber gewesen sei, habe sich das Auswahlermessen der Beklagten auf null reduziert.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens zwar den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch verletze. Allerdings sei ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch den rechtswidrigen Abbruch des Auswahlverfahrens dann ausgeschlossen, wenn der nicht berücksichtigte Bewerber die Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend mache, obwohl ihm dies möglich und zumutbar sei.
Des Weiteren urteilte das Gericht, dass sowohl der öffentliche Arbeitgeber als auch die Bewerber Klarheit darüber bräuchten, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben werde; denn das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folge aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Stelle ein Bewerber somit nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, dürfe der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreife, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolge. Insoweit sei sein Recht, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, nach Ablauf der Monatsfrist verwirkt. Es sei hierbei aufgrund der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zudem sachgerecht, die Monatsfrist auch im Bereich des Arbeitsrechts anzuwenden, da sich Arbeitnehmer und Beamte zeitgleich um dasselbe öffentliche Amt bewerben können.
In Fällen wie vorliegend, wenn der Bewerber von der Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt keinen Gebrauch gemacht habe, sei zudem ein Schadensersatzanspruch in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
Anmerkung
Mit diesem Urteil hat das BAG die Grundsätze der Rechtsprechung des BVerwG (v. 3.12.2014, 2 A 3.13) fortgeführt und auf den Bereich des Arbeitsrechts übertragen.