BAG, Urteil v. 28.1.2020, 9 AZR 91/19
1. Einem übergangenen Bewerber steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung zu, wenn ein Arbeitgeber entgegen Art. 33 Abs 2 GG eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergeben hat, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren. Die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs ist jedoch nicht ausreichend, um eine Schadensersatzpflicht zu begründen, sondern das Verhalten des Arbeitgebers ist für den Schaden eines zurückgewiesenen Bewerbers nur dann ursächlich, wenn sich jede andere Besetzungsentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erwiesen hätte (Ermessensreduktion auf Null). Hierfür trägt der Bewerber die Beweislast.
2. Es steht dem Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationsgewalt grds. frei, für zu besetzende Stellen ein Anforderungsprofil aufzustellen. Hieran muss sich jedoch der Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung halten.
3. Die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 33 Abs. 2 GG verlangen eine dem Leistungsprinzip entsprechende Gewichtung der Auswahlkriterien.
Sachverhalt
Die Beklagte schrieb eine Stelle als "Leitende/r Sachbearbeiter/in für öffentliche Ordnung und Sicherheit" aus. Es gab hierzu ein ausführliches Anforderungsprofil, in dem u. a. eine abgeschlossene Ausbildung für den gehobenen allgemeinen nichttechnischen Verwaltungsdienst, eine vergleichbare Qualifikation oder eine abgeschlossene Ausbildung zur/zum Verwaltungsfachangestellten mit einschlägiger Berufserfahrung gefordert wurde. Der Kläger, Volljurist mit dem akademischen Grad "Master of Laws" und "Master of Public Administration", bewarb sich im Februar 2016 um die Stelle. Die Beklagte lud 3 der insgesamt 12 Bewerber zu Bewerbungsgesprächen ein, nicht jedoch den Kläger. Die Beklagte entschied sich aufgrund einer Aufstellung, die sie in Form einer Auswahlmatrix dokumentierte, in der sie die Qualifikation der Bewerber nach Punkten bewertete, für den Bewerber Nr. 10. Die Beklagte informierte den Kläger Mitte April 2016 darüber, dass sie sich anderweitig entschieden habe. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, ihm die Auswahlentscheidung zu erläutern, ihm die maßgeblichen Akten in Kopie zu übermitteln und von der Besetzung der Stelle vorläufig Abstand zu nehmen. Ca. 2 Wochen später schloss die Beklagte mit dem Bewerber Nr. 10 einen Arbeitsvertrag.
Der Kläger hatte die Auffassung vertreten, er sei nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der bestgeeignetste Bewerber gewesen. Zudem habe die Beklagte ihn nicht ausreichend über den Ausgang des Besetzungsverfahrens informiert, sodass es ihm nicht möglich gewesen sei, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verhindern, dass die Stelle mit dem erfolgreichen Bewerber besetzt worden sei. Des Weiteren sei die Stelle nach der Entgeltgruppe 10, mindestens aber der Entgeltgruppe 9b TVöD-VKA zu vergüten.
Er hatte zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn so zu stellen, als wäre ihm das ausgeschriebene öffentliche Amt tatsächlich übertragen worden; des Weiteren beantragte er die Feststellung, dass das ausgeschriebene öffentliche Amt der Entgeltgruppe 10 TVöD-VKA, hilfsweise der EG 9b, zugeordnet werden müsse.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das BAG führte aus, dass nach Art. 33 Abs. 2 GG jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt habe, wobei ein öffentliches Amt nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Arbeitnehmerstellen des öffentlichen Dienstes seien. Dieser Grundsatz der Bestenauslese diene zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stelle des öffentlichen Dienstes und zum anderen dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründe. Angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG bestehe ein subjektives Recht jeden Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Somit stehe einem übergangenen Bewerber ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung zu, wenn ein Arbeitgeber entgegen Art. 33 Abs 2 GG eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergeben habe, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen und der Bewerber es nicht unterlassen habe, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren.
Grundlage für die Beurteilung der Bewerber sei das in der Ausschreibung mitgeteilte Anforderungsprofil. Es stehe, so das Gericht weiter, dem Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationsgewalt grds. frei, für zu besetzende Stellen ein Anforderungsprofil aufzustellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren sei. Er...