0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch Art. 9 Nr. 21 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) wurde in Abs. 1 die Bezeichnung "Widerspruchsausschuss beim Landesarbeitsamt" in "Widerspruchsausschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit" geändert.
Mit Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wird der bisherige § 121 mit Wirkung zum 1.1.2018 zu § 204. Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 121 mit Anpassung der Verweisungen in Abs. 1 infolge der Verschiebung der Paragraphen des Schwerbehindertenrechts in Teil 3.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift regelt gemeinsame Verfahrensvorschriften für die Widerspruchsausschüsse beim Integrationsamt und bei der Bundesagentur für Arbeit.
2 Rechtspraxis
2.1 Wahl des/der Vorsitzenden und Stellvertreter
Rz. 2
Die Vorschrift verweist auf § 189 Abs. 1 und 2. Diese Vorschriften gelten entsprechend. In § 189 Abs. 1 ist die Wahl der oder des Vorsitzenden sowie der Stellvertreterin oder des Stellvertreters der Beratenden Ausschüsse für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt (§ 186) und bei der Bundesagentur für Arbeit (§ 188) geregelt. Die dortigen Vorsitzenden und Stellvertreterinnen oder Stellvertreter sind aus den Mitgliedern der in diesen Ausschüssen vertretenen Gruppen zu wählen.
Rz. 3
Für den Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt und bei der Bundesagentur für Arbeit, hier der Regionaldirektion auf Landesebene, bedeutet dies, dass § 189 Abs. 1 entsprechend gilt, dass die Vorsitzenden und die Stellvertreterinnen oder Stellvertreter dieser Ausschüsse ebenfalls aus der Reihe der Mitglieder der schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zu wählen sind.
Rz. 4
Weiter gilt auch für die Widerspruchsausschüsse Folgendes:
Die oder der Vorsitzende und die Stellvertreterin oder der Stellvertreter werden jeweils für die Dauer eines Jahres gewählt. Die Gewählten dürfen nicht derselben Gruppe angehören. Die Gruppen stellen in regelmäßig jeweils wechselnder Reihenfolge die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und die Stellvertreterin oder den Stellvertreter.
2.2 Beschlussfähigkeit
Rz. 5
Aufgrund der entsprechenden Geltung des § 189 Abs. 2 gilt für die Beschlussfähigkeit der Widerspruchsausschüsse Folgendes:
Die Widerspruchsausschüsse sind beschlussfähig, wenn wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Unter ihnen muss die oder der Vorsitzende oder das vertretende Mitglied anwesend sein, um eine Sitzung durchführen zu können. Andere Mitglieder der Ausschüsse sind zur Leitung von Sitzungen nicht befugt. Da die Widerspruchsausschüsse aus jeweils 7 Mitgliedern bestehen, sind sie also nur dann beschlussfähig, wenn wenigstens 4 Mitglieder oder Vertreter verhinderter Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse und Entscheidungen werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Mit Stimmengleichheit kommt ein Beschluss oder eine Entscheidung nicht zustande.
2.3 Anhörung von Beteiligten
Rz. 6
Die Vorschrift verpflichtet die Widerspruchsausschüsse zur Anhörung der Beteiligten. Da ausdrücklich der Begriff "Widerspruchsführer" genannt ist, geht es um die Verfahrensgrundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts, also die Verpflichtung zur Anhörung nach § 24 SGB X vor Erlass eines Verwaltungsaktes, hier einer Widerspruchsentscheidung nach § 73 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) oder nach § 85 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Vorschrift bestimmt, dass der Widerspruchsführer stets anzuhören ist, nur in den Fällen, in denen es um Verfahren nach Kapitel 4, also um Verfahren im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutz geht, ist der Personenkreis der Anzuhörenden weiter gefasst. In diesen Fällen sind sowohl der Arbeitgeber als auch der schwerbehinderte Mensch vor der Entscheidung zu hören. In den Gesetzentwürfen (BT-Drs. 14/5074 und BT-Drs. 14/5531) war zunächst – wie in § 43 Abs. 2 des Schwerbehindertengesetzes – die Anhörung sowohl des schwerbehinderten Menschen als auch des Arbeitgebers vorgesehen. Diese Regelung wurde auf einen Vorschlag des Bundesrates auf die Fälle der Verfahren in Kündigungsschutzangelegenheiten eingeschränkt. Zur Begründung hatte der Bundesrat im Ersten Durchgang der Beratungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BR-Drs. 49/01 – Beschluss) argumentiert, die Anhörung des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Menschen ergebe nur dann Sinn, wenn es sich um zweiseitige Verwaltungsverfahren in Angelegenheiten des besonderen Kündigungsschutzes handele. In allen anderen Fällen, in denen es z. B. um die Erbringung von Leistungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe gehe, sei nur der jeweilige Widerspruchsführer zu hören.
Rz. 7
Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, dennoch greift die Regelung für die anderen zweiseitigen Verwaltungsverfahren außerhalb der Verfahren des besonderen Kündigungsschutzes zu kurz. Etwa in Angelegenheiten der Gleichstellung eines behinderten Menschen mit einem schwerbehinderten Menschen (§ 151 Abs. 2) können sowohl der Arbeitgeber als auch der behinderte Mensch durch eine beabsichtigte Entscheidung gl...