Rz. 33
Anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie fällt der "normale" Sport, der in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff. Eine Sonderstellung nimmt der "spezielle" Rehabilitationssport ein, der eine medizinische Zweckbestimmung verfolgt (vgl. BSG, Urteil v. 22.4.2008, B 1 KR 22/07 R).
Nach dem Urteil des BSG v. 22.4.2009 (B 3 KR 5/08 R) ist Rehabilitationssport – teilweise auch als "Behindertensport" bezeichnet –
- dann notwendig, wenn der rehabilitationsbedürftige Versicherte nicht auf eine dem Rehabilitationssport in einer Gruppe gleichwertige sportliche Alternative verwiesen werden kann – insbesondere auch, weil diese nicht "unter ärztlicher Betreuung und Überwachung" erfolgt.
- eine Maßnahme, die über die spezifische Zielrichtung von § 1 Satz 1 und § 2 SGB V hinausgeht und der Aufgabenstellung in § 1 SGB IX entspricht, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft zu fördern.
Abzustellen ist dabei auf den Einzelfall und hierbei auf den Schweregrad der Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung des rehabilitativen Zwecks des Gemeinschaftserlebnisses, mit anderen vergleichbar Betroffenen Sportliches leisten zu können (vgl. auch Bay. LSG, Urteil v. 20.6.2017, L 4 KR 399/14).
Weiter führt das BSG in dem oben erwähnten Urteil v. 22.4.2009 aus:
"Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen ... eine ausgeprägte körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen (vgl. Schmid/Huber/Marschner/Zimmer, Medizinische Aspekte im Behindertensport, DÄBl 2004, A-2177). Dementsprechend dient ärztlich verordneter Behindertensport in Gruppen nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (so Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drucks 15/4575 S. 59 unter 3.27)."
Die medizinische Notwendigkeit ist auf jeden Fall so lange gegeben, wie der behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch während der Übungsveranstaltungen auf die fachkundige Leitung des Übungsleiters angewiesen ist, um das Ziel des Rehabilitationssports zu erreichen. Als Ziel gilt
- die Förderung der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben,
- die Stärkung der Ausdauer und Kraft,
- die Verbesserung der Koordination und Flexibilität und
- die Stärkung des Selbstbewusstseins insbesondere auch von behinderten oder von Behinderung bedrohten Frauen und Mädchen,
sofern das Reha-Ziel nicht durch Angebote des "normalen Breitensports" erreicht werden kann (vgl. Ziff. 2.1 und 2.2 der Rahmenvereinbarung).
Die Einzelheiten ergeben sich aus den nachstehenden Ausführungen (Rz. 35 ff.).
Die Anspruchsdauer für den Rehabilitationssport ist nicht für alle Rehabilitationsträger einheitlich, sondern rehabilitationsträgerspezifisch geregelt. Zum Anspruch und zur Anspruchsdauer (auch bei Folgeverordnungen) vgl. Rz. 35 ff. für die Krankenversicherung, Rz. 45 für die Rentenversicherung, Rz. 46 für die Unfallversicherung und Rz. 47 für die Kriegsopferversorgung (ab 1.1.2024: Soziale Sicherung).
Rz. 34
Ein unbegrenzter Anspruch auf Rehabilitationssport kommt nach Auffassung des Autors letztendlich nur für einen eng begrenzten Personenkreis in Betracht. Für die Mehrzahl der Reha-Sportler (= nicht erheblich in der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gehindert) dient der Rehabilitationssport lediglich als Hilfe zur Selbsthilfe. Bei ihnen endet die medizinische Notwendigkeit für den Rehabilitationssport, sobald der Betroffene die Übungen erlernt hat, nicht mehr auf die fachkundige Leitung des Übungsleiters angewiesen ist und der Rehabilitationssport nicht mehr anderen medizinischen Zielen (Rz. 33) dient. Rehabilitationssport ist auf der anderen Seite aber dann notwendig, wenn der rehabilitationsbedürftige Versicherte nicht auf eine dem Rehabilitationssport in einer Gruppe gleichwertige sportliche Alternative verwiesen werden kann, insbesondere auch, weil diese nicht "unter ärztlicher Betreuung und Überwachung" erfolgt (BSG, Urteil v. 2.11.2010, B 1 KR 8/10 R).
Dieses schließt nicht aus, dass der Rehabilitationssport zu einem späteren Zeitpunkt wieder notwendig werden kann (z. B. bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes), sodass andere Übungen erlernt werden müssen.
Um für die Mehrzahl der Rehabilitationssportler nicht dauernd die Notwendigkeit von Rehabilitationssport infrage stellen zu müssen, haben sich die an der Rahmenvereinbarung beteiligten Re...