1 Einleitung
1.1 Gesetzliche Grundlagen – Ziele
Die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen regelt das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs – welches das zuvor zersplitterte und unübersichtliche Recht der Rehabilitation zusammengefasst und weiterentwickelt hat.
Ziel des Gesetzes ist, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu fördern und damit das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG im Bereich der Sozialpolitik umzusetzen. Der Vorrang der Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe vor Renten und anderen Sozialleistungen ist Programm und Auftrag: Wo immer möglich, sollen Behinderungen vermieden werden oder Menschen trotz Behinderungen an der Gesellschaft und möglichst auch am Erwerbsleben teilhaben, anstatt dauernde Geldleistungen zu beziehen oder auf dauernde Pflege angewiesen zu sein.
Dieses Ziel der Ermöglichung und Sicherung der selbstbestimmten Teilhabe behinderter Menschen wurde weiterverfolgt mit dem am 1.5.2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen.
Eine erhebliche Umgestaltung hat das SGB IX durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) vom 23.12.2016 ab dem 1.1.2018 erfahren. Ab dem 1.1.2020 wird dann ein vollständig neuer Teil 2 des Gesetzes für Leistungen zur selbstständigen Lebensführung in Kraft treten.
Der erste Teil des SGB IX
Der erste von 3 Teilen des SGB IX schafft einen allgemeinen Rahmen für die weiter bestehenden Regelungen der Rehabilitation und Teilhabe in den für die Rehabilitationsträger geltenden Gesetzen. Umfasst sind die gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, Alterssicherung der Landwirte, Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, Kriegsopferversorgung und soziale Entschädigung.
Die gemeinsamen Servicestellen sind spätestens Ende 2018 entfallen und durch vom Rehabilitationsträger zu benennende Ansprechpartner nach § 12 SGB IX und besondere Verantwortung der leistenden Rehabilitationsträger für die Koordination der in Betracht kommenden Leistungen ersetzt. Zudem weist § 14 SGB IX den leistenden Rehabilitationsträgern eine Verantwortung für die Koordinierung der Rehabilitationsleistungen zu.
Der dritte Teil des SGB IX
Im dritten Teil ist primär die abgrenzbare Gruppe der 7,8 Mio. als schwerbehindert anerkannten Menschen betroffen, es sind aber auch Rechte und Pflichten von Arbeitgebern, Betriebs- und Personalräten angesprochen. Dort ist der Regelungsbereich des früheren Schwerbehindertengesetzes enthalten. Von den schwerbehinderten Menschen zwischen 15 und 64 Jahren nehmen 57 % am Berufsleben teil (bei Menschen ohne Behinderung sind es 82 %).
Ziel des zweiten Teils ist es, die Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Berufsleben zu verbessern und die Arbeitslosigkeit schnellstmöglich und nachhaltig abzubauen. Zur Erreichung dieser Ziele hat der Gesetzgeber ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgesehen. Hierbei handelt es sich u. a. um
- das System von Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe
- besondere Arbeitgeberverpflichtungen
- die besondere Förderung zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen
- besondere Rechte der schwerbehinderten Menschen und der Schwerbehindertenvertretungen
- ein besonderes Dienstleistungsangebot der Bundesagentur für Arbeit und der Integrationsämter
Daneben gibt es weitere Gesetze, die sich mit Schutz und Förderung von behinderten Menschen beschäftigen, u. a.:
- Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) wendet sich in erster Linie an Bundesbehörden und verpflichtet sie zu besonderen Schutzmaßnahmen. Ähnliche Gesetze gibt es auch in allen Bundesländern.
- Im Bauordnungsrecht der Länder finden sich Vorschriften zum barrierefreien Bauen.
- Das SGB XII enthält in §§ 53 ff. SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen.
2 Geschützter Personenkreis
Schwerbehinderte Menschen sind Personen mit einem anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50, sofern sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i. S. v. § 156 SGB IX rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX ist unter Behinderung die Auswirkung einer mehr als 6-monatigen Funktionsbeeinträchtigung zu verstehen, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Regelwidrig ist der Zustand, der von dem für das Lebensjahr typischen abweicht (§ 2 Abs. 1 SGB IX).
Eine symptomlose HIV-Infektion hat eine Behinderung zur Folge. Das gilt so lange, wie das gegenwärtig auf eine solche Infektion zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten sowie die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern.
Der Europäische Gerichtshof geht von einem etwas abweichenden Behinderungsbegriff aus. In seinen Entscheidungen vom 11.4.2013 und vom 4.7.2013 hat er seine Auslegung des Begriffs der "Behinde...