Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung. berufliche Rehabilitation / Teilhabe am Arbeitsleben. Büro- und Bildschirmarbeitsplatz. Erforderlichkeit gem § 33 Abs 1 SGB 9. ergonomischer Bürostuhl. Leitfaden für die Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen. GUV-I 650
Leitsatz (amtlich)
Genügt gesundheitlich ein ergonomischer Bürostuhl, der den Mindestanforderungen des vom DGUV herausgegebenen "Leitfadens für die Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen" (GUV-I 650) entspricht, so ist ein orthopädischer Bürostuhl als Teilhabeleistung nicht erforderlich, weil Arbeitgeber zwecks Einhaltung der Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften ohnehin verpflichtet sind, mindestens einen solchen Bürostuhl auch gesunden Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Teilhabeleistungen in Form eines orthopädischen Bürostuhls.
Die 1954 geborene Klägerin arbeitet als Sachbearbeiterin und Rechercheurin bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR an einem Bildschirmarbeitsplatz. Sie ist mit einem GdB von 70 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Am 6.3.2007 beantragte sie wegen Rückenbeschwerden unter Vorlage eines Attestes ihres behandelnden Orthopäden eine orthopädischen Bürostuhl und einen höhenverstellbaren Schreibtisch. Nach Einholung eines Befundberichts des behandelnden Orthopäden vom 24.4.2007 und einer beratungsärztlichen Stellungnahme dazu vom 4.6.2007 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13.6.2007 Kosten für einen höhenverstellbaren Schreibtisch in Höhe von 1.500,00 €, lehnte aber zugleich die Kostenübernahme für einen orthopädischen Bürostuhl ab.
Dagegen erhob die Klägerin am 29.6.2007 Widerspruch, weil sie eine 100 % sitzende Tätigkeit habe und ständig angespannt über ihren Akten und am PC sitze. Dadurch leide sie unter erheblichen Rückenschmerzen, weil der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Stuhl die Probleme nicht lindere und ihren Anforderungen nicht entspreche, obwohl er nach Aussage des Arbeitgebers „genormt“ sei. Die bewilligten 1.500,00 € für den höhenverstellbaren Schreibtisch seien nicht ausreichend.
Nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 7.8.2007, wonach ein höhenverstellbarer Schreibtisch ausreichend sei, um den erforderlichen Wechsel der Arbeitshaltung zu ermöglichen, wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich des orthopädischen Bürostuhls mit Widerspruchsbescheid vom 4.1.2008 zurück, weil ein ergonomischer Bürostuhl gemäß den dafür geltenden Richtlinien, wie er vom Arbeitgeber ohnehin jedem Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden müsse, ausreichend sei.
Mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 24.4.2008 wies die Beklagte sodann auch den Widerspruch bezüglich höherer Kosten für den Schreibtisch zurück, der nach Klagerücknahme (Az. S 24 R 616/08) inzwischen bestandskräftig ist.
Mit ihrer den orthopädischen Bürostuhl betreffenden Klage vom 5.2.2008 bleibt die Klägerin insoweit bei ihrem Widerspruchsvorbringen und wendet gegen das dazu eingeholte orthopädische Gerichtsgutachten ein, dass dieses nicht zutreffen könne. Der Sachverständige habe die typischen Anforderungen an ihre bisherige Berufstätigkeit nicht erfragt. Diese sei zu 100 % sitzend und ermögliche daher keinen sinnvollen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Das Gehen falle nur auf dem Weg zur Toilette an. Ihr jetziger Bürostuhl entspreche jedenfalls nicht den ergonomischen Anforderungen gemäß den dafür geltenden Richtlinien. Der Gutachter habe dies, d. h. ihre jetzige Arbeitsplatzausstattung, nicht erfragt. Sie habe inzwischen in mehreren Stuhlhäusern Probe gesessen und sich aufgrund dessen Angebote für einen ihren Anforderungen entsprechenden Bürostuhl und - um mit dem höhenverstellbaren Schreibtisch auch stehend arbeiten zu können - für einen Sitz-Steh-Hocker unterbreiten lassen, die sie beifüge.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 19.6.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr einen neuen Bescheid über die Gewährung eines orthopädischen Bürostuhls unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt auf die angegriffenen Bescheide Bezug und sieht sich durch das orthopädische Gerichtsgutachten bestätigt.
Dem Gericht liegen neben den medizinischen Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren zur Entscheidung insbesondere eine Stellungnahme der zuständigen Betriebsärztin vom 4.12.2008, der Befundbericht des behandelnden Orthopäden vom 11.2.2009, ein Bericht vom 3.8.2009 über eine Arbeitsplatzberatung anlässlich einer stationären medizinischen Rehabilitation, eine Auskunft des zuständigen Unfallversicherungsträgers vom 18.8.2009 nebst des Leitfadens über die Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen (GUV-I 650) und das im Klageverfahren dazu eingeholte orthop...