Rz. 28
Das Befreiungsrecht wegen einer Reduzierung der Arbeitszeit, das auf §§ 173 f. RVO zurückgeht, besteht für Personen, die zuvor wegen der Höhe des Arbeitsentgeltes krankenversicherungsfrei waren und durch die Reduzierung der Arbeitszeit und damit verbunden des Arbeitsentgeltes krankenversicherungspflichtig werden. Die Regelung beruht auf dem Gedanken der Beibehaltung des bisherigen Status als versicherungsfreier Beschäftigter und sollte für langjährig privat Versicherte die Krankenversicherungspflicht als Hemmnis für den Übergang zur Teilzeitarbeit abbauen (BT-Drs. 10/4741 S. 26). Die Regelung ist vornehmlich im Zusammenhang mit Altersteilzeit und gleitendem Übergang in den Ruhestand zu sehen, enthält jedoch keine dahingehende gesetzliche Einschränkung. Obwohl die Frage der Versicherungsfreiheit/-pflicht von der Höhe des Arbeitsentgeltes abhängt, wird das Befreiungsrecht nur an den Umfang der Reduzierung der Arbeitszeit und die Dauer der vorherigen Versicherungsfreiheit geknüpft. Mit Wirkung zum 1.1.2011 hat der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 2a GKV-Finanzierungsgesetz v. 22.12.2010 die Befreiungsmöglichkeit für Beschäftigungsverhältnisse in Teilzeit für die Zeit nach der Inanspruchnahme von Elterngeld, Elternzeit oder Pflegezeit in Abs. 1 Nr. 3 zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf noch erweitert. Zum 1.1.2015 ist Abs. 1 Nr. 3 textlich an die Veränderungen des PflegeZG und des FPfZG angepasst und in die neue Bestandsschutzregelung des Abs. 3 aufgenommen worden (vgl. Rz. 27i).
Rz. 28a
Die Notwendigkeit der Befreiung entfällt ab 1.7.2000 für Personen, die zum Zeitpunkt der Reduzierung der Arbeitszeit das 55. Lebensjahr vollendet haben und zuvor 5 Jahre lang versicherungsfrei nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 waren. Diese Personen sind bereits krankenversicherungsfrei (vgl. § 6 Abs. 3a).
Rz. 29
Die Arbeitszeit muss auf die Hälfte oder weniger als die Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter des Betriebes reduziert werden. Eine vorherige persönliche Vollzeitbeschäftigung ist nicht gefordert. Auf wessen Initiative die Reduzierung der Arbeitszeit zurückgeht, ist nicht entscheidend. Der zeitliche Umfang einer Vollzeitbeschäftigung ist nicht nach allgemein für den Betrieb geltenden Vorschriften (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) über die regelmäßige Arbeitszeit zu beurteilen, sondern nach der regelmäßigen Arbeitszeit der Funktion und Position vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Betrieb.
Rz. 30
Die Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte oder weniger muss als dauerhafte Änderung gewollt sein, was im Regelfall eine entsprechende vertragliche Vereinbarung voraussetzt. Die Reduzierung der Arbeitszeit aus Gründen wie Kurzarbeit, Winterausfallzeiten, Streikfolgen, Tätigkeit bei Wiedereingliederung (§ 74) etc. ist nicht regelmäßig, sodass in diesen Fällen weiter Versicherungsfreiheit besteht, wie sich aus der Beitragszuschussregelung des § 257 Abs. 2 Satz 4 ergibt. Die Herabsetzung der Arbeitszeit muss zudem notwendig auch zu einem regelmäßigen Arbeitsentgelt unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze und oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze führen, da nur dies zur Krankenversicherungspflicht führt.
Rz. 31
Die Befreiung kann auch für den Fall der Aufnahme der Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber beantragt werden. Im Anschluss an das bisherige versicherungsfreie Beschäftigungsverhältnis wird auch eine Teilzeitarbeit aufgenommen, wenn diese nicht unmittelbar und nahtlos anschließt. Es darf jedoch kein zu großer zeitlicher Abstand bestehen, denn allein die Aufnahme einer Teilzeitarbeit soll nicht zu einem Befreiungsrecht führen. Bei Aufnahme der Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber sind die in diesem Betrieb geltenden regelmäßigen Arbeitszeiten vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter für den Umfang der Reduzierung heranzuziehen (a. A. Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand: 15.06.2020, § 8 Rz. 79, wonach weiterhin auf die regelmäßige Arbeitszeit beim Erstarbeitgeber abzustellen sei).
Rz. 32
Weitere Voraussetzung für das Befreiungsrecht ist eine 5-jährige Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Die Frist wird ab Beginn der Krankenversicherungspflicht durch Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung zurückgerechnet, wobei der Tag der Aufnahme der Teilzeittätigkeit selbst nicht berücksichtigt wird. Eine Befreiung kam daher bislang für zuvor knappschaftlich Beschäftigte und deutsche Seeleute wegen der nicht möglichen vorherigen Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht in Betracht, weil diese ungeachtet der Höhe des Arbeitsentgelts zwingend der Versicherungspflicht unterlagen. Erst seit dem 1.4.2007 (Art. 1 Nr. 3, Art. 46 Abs. 1 GKV-WSG – Aufhebung von § 6 Abs. 5) ist auch die Versicherungsfreiheit für in knappschaftlichen Betrieben Beschäftigte und seit dem 28.12.2007 (Art. 5b des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 19.12.2007, BGBl. I S....