Rz. 2
Abs. 1 Satz 1 steht in Einklang mit § 19 Satz 1 SGB IV. Nach Maßgabe dieser Vorschrift werden Leistungen in der sozialen Pflegeversicherung ebenso wie Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung im Grundsatz auf Antrag erbracht, wohingegen Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, wie § 19 Satz 2 SGB IV bestimmt, im Grundsatz von Amts wegen erbracht werden.
Die Stellung eines Antrages bei der Pflegekasse hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen erfüllt die Antragstellung eine nach § 33 Abs. 1 Satz 1, § 19 Satz 1 SGB IV für den Leistungsbezug unerlässliche Tatbestandsvoraussetzung, zum anderen bedeutet die Antragstellung formal-rechtlich indessen auch, dass die Pflegekasse nunmehr ein Verwaltungsverfahren einzuleiten hat, wie der Vorschrift des § 18 Satz 2 Ziff. 1 SGB X zu entnehmen ist (so auch BSG, Urteil v. 13.5.2004, B 3 P 7/03 R, Breithaupt 2004 S. 863).
Das Antragserfordernis soll in erster Linie dafür Sorge tragen, dass grundsätzlich keine Leistungen für solche Zeiträume gewährt werden, in denen der Versicherungsträger mangels Antragstellung von dem Versicherungsfall noch keine Kenntnis hatte und die notwendige tägliche Pflege deshalb auf andere Weise sichergestellt werden musste und auch sichergestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil v. 13.5.2004, B 3 P 7/03 R, a. a. O.).
Rz. 3
Der Antrag ist eine Willenserklärung, mit der jemand zum Ausdruck bringt, dass er die Bewilligung einer bestimmten Leistung begehrt (vgl. BSG, Urteil v. 26.5.1988, 5/4a RJ 21/87; Urteil v. 26.1.2000, B 13 RJ 37/99 R, SozR 3-5910 § 91a Nr. 7). Der Sozialleistungsträger hat dabei den Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 Satz 1 SGB X zu beachten. Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist das Verwaltungsverfahren nicht an bestimmte Formen gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 Satz 1 SGB X betrifft dabei nicht nur das Handeln des Sozialleistungsträgers, sondern auch das Verhalten des Versicherten im Verwaltungsverfahren. Entsprechend ist der Versicherte nicht verpflichtet, ein bestimmtes Antragsformular zu verwenden. Es ist nicht einmal die Schriftform erforderlich.
Zu Beweiszwecken ist es indessen dem Versicherten anzuraten, jedenfalls eine Bestätigung über den Zugang des – mündlich oder schriftlich gestellten – Antrages zu erbitten.
Rz. 4
Abzugrenzen ist die Antragstellung von der bloßen Vorsprache des Versicherten oder eines Bevollmächtigten bei der Pflegekasse sowie von der bloßen Entgegennahme eines Antragsformulars. Hierbei handelt es sich im Zweifel jeweils erst um Vorbereitungshandlungen, die noch keine Antragstellung darstellen. Die Schutzbedürftigkeit des Versicherten erfordert es indessen, dass fehlende Gewandtheit und mangelnde Rechtskenntnisse von der Pflegekasse berücksichtigt werden und der wirkliche Wille des Versicherten erforscht wird. Spricht etwa ein Versicherter oder ein Bevollmächtigter vor und wird insbesondere dabei die Aushändigung oder Zusendung eines Antragsformulars erbeten, so hat eine gezielte Nachfrage beim Versicherten über die Frage zu erfolgen, ob er die Stellung des Antrages noch überdenken will oder ob er nicht sofort den Antrag stellen und etwaige fehlende Angaben mittels Formular nachholen will. Dies folgt aus § 14 Satz 1 SGB I, wonach jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hat, bzw. aus § 15 Abs. 1 und 2 SGB I, wonach dem Versicherten über alle Sach- und Rechtsfragen Auskunft zu erteilen ist. § 7 Abs. 2 Satz 1 und § 7a Abs. 1 Satz 1 gelten zudem als Spezialnormen des Rechts der sozialen Pflegeversicherung.
Noch keinen Antrag stellt die Benachrichtigung auf Grundlage des § 7 Abs. 2 Satz 2 dar, auch wenn sie dem gesetzlichen Auftrag entsprechend mit Einwilligung des Versicherten erfolgt. Mit dieser Benachrichtigung ist noch nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Versicherte auch tatsächlich die Bewilligung einer Sozialleistung begehrt. Aus eben diesem Grund sehen in der Praxis für die Benachrichtigung verwendete Vordruckformulare eine zusätzliche vom Versicherten zu unterzeichnende Erklärung vor, dass die Benachrichtigung mit einem Leistungsantrag einhergehen soll.
Der Sozialleistungsträger, wie etwa die Pflegekasse, ist nach § 16 Abs. 3 SGB I insgesamt verpflichtet, den Antragsteller dazu anzuhalten, dass er so klar, vollständig und sachdienlich diejenigen Angaben macht, die er sofort machen kann, und das Verwaltungsverfahren dem Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Satz 2 SGB X entsprechend damit auch sofort mit Inhalt gefüllt werden kann. Verbleiben Unklarheiten, ist der Versicherte auf seine in § 60 SGB I normierte Mitwirkungspflicht aufmerksam zu machen. Regelmäßig ist ein Sozialleistungsträger hingegen verpflichtet, einen Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen...