BAG, Urteil v. 20.11.2018, 9 AZR 327/18
Unter Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts i. S. d. § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG fallen nur bestimmte öffentliche Mittel. Hierbei ist eine Gewährung wirtschaftlicher Vorteile in Form von Geldleistungen zur Erreichung eines im Allgemeininteresse liegenden Zwecks zu verstehen, bei der es vorrangig darauf ankommt, dass die Fördermittel zweckentsprechend eingesetzt werden, ohne dass eine einklagbare Leistungspflicht besteht. Keine Zuwendungen im haushaltsrechtlichen Sinne sind dagegen u. a. Entgelte aufgrund von öffentlichen Aufträgen bzw. Verträgen, die den Preisvorschriften für öffentliche Aufträge unterliegen, wie z. B. Kauf-, Miet-, Pacht-, Werk- und Werklieferungsverträge.
Sachverhalt
Der Kläger des vorliegenden Falls ist als Mitarbeiter im Rettungsdienst seit dem 1.2.2010 bei der Beklagten beschäftigt, deren alleinige Gesellschafterin die H Kliniken GmbH ist, deren Gesellschaftsanteile wiederum zu 100 % vom Landkreis H gehalten werden. Die Beklagte führt den bodengebundenen Rettungsdienst im Landkreis H nach Maßgabe eines mit diesem geschlossenen Vertrags vom 22.6.2011 durch, in dem u. a. Rechte und Pflichten sowie das Entgelt geregelt wurden. Die Beklagte ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TVÖD-VKA Anwendung. Der Kläger, der im Bereich zweier Rettungswachen tätig ist, wurde von der Beklagten regelmäßig zu Schichten im Rettungsdienst mit einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden und bis zu 12 Stunden auf der Grundlage des § 9 TVöD eingesetzt. Der Kläger ist der Auffassung, die Anordnung von Schichtzeiten mit einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden verstoße gegen § 3 Satz 2 ArbZG, da auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abweichung von der dort geregelten täglichen Höchstarbeitszeit nicht vorlägen.
Die Beklagte brachte dagegen vor, dass sie nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 3 ArbZG i. V. m. Abschn. B des Anhangs zu § 9 TVöD (VKA) berechtigt sei, Schichtzeiten bis zu 12 Stunden täglich anzuordnen; denn sie finanziere die Kosten ihres Betriebs überwiegend durch Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts, da sie ihre Auslagen zu 95 % mit Zuwendungen des Landkreises H decken würde.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem BAG Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, dem Kläger Schichtzeiten im Rettungsdienst zuzuweisen, die eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden überschreiten, da sie sich bei der Anordnung von Schichtzeiten bis zu 12 Stunden nicht auf § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 3 ArbZG i. V. m. Abschn. B des Anhangs zu § 9 TVöD (VKA) stützen könne.
Das Gericht führte hierzu u. a. aus, dass nach § 3 ArbZG die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten bzw. auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden dürfe, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Hierbei sei gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ArbZG Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst seien hierbei arbeitszeitrechtlich Arbeitszeit und müssten somit bei der Berechnung des zulässigen Umfangs der Arbeitszeit in vollem Umfang und nicht nur im Umfang des tatsächlichen Arbeitseinsatzes berücksichtigt werden. Zwar könne, so das BAG weiter, gem. § 7 Abs. 2 Nr. 4 ArbZG in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung u. a. zugelassen werden, die Regelung des § 3 ArbZG über die zulässige werktägliche Arbeitszeit bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen. Zudem habe § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG eine nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 ArbZG getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.
Im vorliegenden Fall konnte sich die Beklagte jedoch nicht auf diese Vorschrift stützen; denn die Beklagte decke, so das Gericht, die Kosten ihres Betriebs nicht überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts; denn das Entgelt, das der Landkreis H aufgrund des Vertrags vom 22.6.2011 als Gegenleistung für die Erbringung des bodengebundenen Rettungsdienstes an die Beklagte zahlt, sei keine solche Zuwendung. § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG gehe seinem Wortlaut nach von dem Begriff der "Zuwendung im Sinne des Haushaltrechts" aus. Somit se...