Verfahrens- und Beteiligungsrechte der Minderheitsgewerkschaft in § 4a Abs. 5 TVG mindern die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit durch die Verdrängung abgeschlossener Tarifverträge. So ist der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgebervereinigung nach § 4a Abs. 5 Satz 1 TVG verpflichtet, die Aufnahme von Tarifverhandlungen rechtzeitig und in geeigneter Weise im Betrieb bekannt zu geben. Zudem hat die nicht selbst verhandelnde, aber nach ihrer Satzung ebenfalls tarifzuständige Gewerkschaft nach § 4a Abs. 5 Satz 2 TVG einen Anspruch darauf, dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgebervereinigung ihre Vorstellungen mündlich vorzutragen. Dieses Vortragsrecht ist selbstständig einklagbar (vgl. BT-Drucks. 18/4062, S. 15).
Das BVerfG hat hierzu erklärt (Rn. 196):
Die Bekanntgabepflicht und das der betroffenen Gewerkschaft eingeräumte Vortragsrecht bei den Tarifverhandlungen mit einer anderen Gewerkschaft dienen ihrer Beteiligung und sichern so verfahrensrechtlich ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG, die durch die mögliche Verdrängung nach § 4a Abs. 2 TVG bedroht sind. Zudem geben sie im Vorfeld von Tarifverhandlungen Gelegenheit, Tarifforderungen aufeinander abzustimmen und damit Tarifkollisionen autonom zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 18/4062, S. 15). Diese Verfahrenspositionen dürfen nicht lediglich als bloße Formalitäten oder schlichte Obliegenheiten behandelt werden. […] Die angegriffenen Bestimmungen des § 4a Abs. 5 TVG sind deshalb so auszulegen und anzuwenden, dass der Tatbestand einer nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG verdrängenden Tarifkollision nur erfüllt ist, wenn die Pflichten zur Bekanntgabe von Tarifverhandlungen und zur Anhörung nicht verletzt worden sind. Soweit es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt, die Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit stehe nicht unter dem Vorbehalt der Anhörung (BT-Drucks. 18/4062, S. 15), darf daraus kein gegenteiliger Schluss gezogen werden. Welche Anforderungen an eine wirksame Anhörung und Bekanntgabe nach § 4a Abs. 5 TVG zu stellen sind, ist von den Fachgerichten zu konkretisieren.
Bekanntmachung der Führung von Tarifverhandlungen, Anhörung der Minderheitsgewerkschaft
Der Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft wird nur dann durch den Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft verdrängt, wenn die Aufnahme von Tarifverhandlungen ordnungsgemäß bekanntgegeben und die Minderheitsgewerkschaft angehört wurde. Die Ausgestaltung einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe und Anhörung bleibt den Fachgerichten überlassen.