Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Kündigung während der Probezeit. Anhörung des Personalrats vor einer Probezeitkündigung. Unbeachtlicher Widerspruch des Personalrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Die ordentliche Kündigung während der Probezeit ist mitbestimmungspflichtig. Der Personalrat ist gem. § 78 ThürPersVG anzuhören. Allerdings sind nur solche Einwendungen gegen die Kündigung beachtlich, die die Unwirksamkeit der Probezeitkündigung als möglich erscheinen lassen ("Möglichkeitstheorie"), also etwa ein Verstoß gegen § 242 BGB, § 138 BGB oder besondere Schutzvorschriften z.B. aus dem SGB IX oder dem MuschG.
2. Für die ordnungsgemäße Anhörung genügt es, wenn der Arbeitgeber dem Personalrat sein Werturteil als das Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt. Nähere Tatsachenelemente über Ort, Zeit oder Umstände möglicher Kündigungsgründe muss der Arbeitgeber nicht mitteilen. Die ausführlichen sozialen Rechtsfertigungsgründe einer Kündigung nach der Wartezeit i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 KSchG sind nicht auf eine Probezeitkündigung übertragbar.
3. Begründet der Personalrat seinen Widerspruch gegen eine Probezeitkündigung mit Einwendungen, die in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2b und in Abs. 2 S. 3 KSchG angeführt sind, kann dies im Rahmen der Probezeit keine Rolle spielen. Der spätere starke Kündigungsschutz kann durch § 78 ThürPersVG oder § 102 BetrVG nicht in die gesetzliche Wartezeit von sechs Monaten vorverlagert werden. Nach Ablauf der Anhörungsfrist gilt deshalb die Zustimmung des Personalrats wegen unbeachtlicher Widerspruchsgründe als erteilt.
Normenkette
ThürPersVG § 69 Abs. 2 Sätze 6, 8, § 69a Abs. 2 S. 9, § 78; KSchG § 1 Abs. 2-3; BetrVG § 102 Abs. 1; BGB §§ 138, 242
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Entscheidung vom 17.06.2020; Aktenzeichen 8 Ca 2449/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 17.06.2020 - 8 Ca 2449/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses. Dabei geht es um die Frage, ob die der Klägerin gegenüber mit Schreiben vom 16.12.2019 erklärte Kündigung in der Probezeit wirksam ist.
Die am 09.06.1964 geborene Klägerin wurde vom Beklagten ab dem 01.07.2019 als Dipl.-Bibliothekarin mit einer Bruttomonatsvergütung von 4000,09 € in der Fachhochschule Erfurt beschäftigt. Eine Probezeit bis zum 31.12.2019 war vereinbart. Mit Schreiben des Kanzlers vom 25.11.2019 wurde der Personalrat der Fachhochschule ... um Zustimmung zur Kündigung gebeten. Hinsichtlich des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage 2 (Bl. 23 f. d. A.) verwiesen. In Vorbereitung einer Erörterung bat der Personalrat um schriftliche Konkretisierung. Auf das Schreiben vom 05.12.2019 (Anlage 4, Bl. 26 d. A.) wird insoweit Bezug genommen. Am 10.12.2019 fand ein Erörterungsgespräch statt. Hier teilte der Kanzler u.a. mit, dass die Klägerin einen Tag nicht zur Arbeit erschienen sei und dabei weder Urlaub noch Zeitausgleich beantragt hatte und auch die Vorgesetzte nicht vom Fernbleiben unterrichtet hatte. Mit Schreiben vom 11.12.2019 teilte der Personalrat dem Kanzler der Fachhochschule die Ablehnung der Zustimmung mit. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Anlage 5 (Bl. 27 ff. d. A.) verwiesen. Unter dem 16.12.2019 teilte der Kanzler dem Personalrat mit, dass er die Einwendungen des Personalrats als rechtlich unerheblich erachte. Mit Schreiben vom 16.12.2019, welches der Klägerin am selben Tag zugegangen ist, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2019.
Mit ihrer am 30.12.2019 beim Arbeitsgericht Erfurt eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung in der Probezeit.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Personalratsanhörung vom 25.11.2019 sei fehlerhaft und der Personalrat habe die Zustimmung gemäß § 78 ThürPersVG verweigern dürfen. Die Einschätzung, die Klägerin habe sich nicht bewährt, beruhe auf einer konkreten Leistungsbeurteilung, welche insbesondere fachliche Aspekte berücksichtige. Die Beklagte habe dem Personalrat eine unvollständige Leistungsbeurteilung mitgeteilt, welche auf objektiven Tatsachen beruhe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.12.2019 nicht beendet wird.
2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahren zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Dipl.-Bibliothekarin weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte hat
Klageabweisung beantragt.
Er hat erstinstanzlich ausgeführt, der Personalrat sei mit Anhörungsschreiben vom 25.11.2019 ordnungsgemäß beteiligt worden. Mit der Klarstellung, dass sich die Klägerin in der Probezeit nicht bewährt hätte und der Unterlegung dieses Urteils mit einer beispielhaften Aufzählung von Gegebenheiten, die zu dem Schluss der mangelnden Eignung geführ...