Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift des § 26 Nr. 5 EG-ZPO auf das arbeitsgerichtliche

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch im Berufungsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen findet nach der Übergangsregelung in § 26 Nr. 5 EG-ZPO § 66 ArbGG in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung Anwendung, wenn die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde.

2. Zur Begründetheit eines Wiedereinsetzungsantrages im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, der auf einen Rechtsirrtum des Prozessbevollmächtigten über die Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift des § 26 Nr. 5 EG-ZPO auf das Berufungsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen gestützt wird.

 

Normenkette

ArbGG § 66 a. F; ZPO § 519 a. F; EGZPO § 26 Nr. 5; ZPO § 233

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Urteil vom 08.11.2001; Aktenzeichen 6 Ca 1213/01)

 

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Freistaates gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 08.11.2001, 6 Ca 1213/01, wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

2. Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, die der beklagte Freistaat gegenüber der Klägerin, die seit 01.08.1975 als Grundschullehrerin im Schulamtsbereich E. beschäftigt ist, mit Schreiben vom 28.03.2001 zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.09.2001, hilfsweise zum 31.12.2001 ausgesprochen hat.

Das Arbeitsgericht Erfurt hat der Klage mit dem am 08.11.2001 verkündeten Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom gleichen Tag stattgegeben.

Gegen dieses dem Staatlichen Schulamt E. als Vertretungs- und Zustellungsbevollmächtigte des Freistaates Thüringen bzw. des Thüringer Kultusministers am 04.02.2002 mittels Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Freistaat durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 14.02.2002, der am 18.02.2002 bei der gemeinsamen Posteingangsstelle des Justizzentrums Erfurt einging, Berufung eingelegt und die Berufung mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.03.2002, der am 22.03.2002 bei der gemeinsamen Posteingangsstelle des Justizzentrums Erfurt einging, begründet.

Auf dem mit Verfügung vom 22.03.2002 erfolgten Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt sein dürfte, hat der Freistaat durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 02.04.2002, der am 04.04.2002 beim Justizzentrum Erfurt einging, Stellung genommen und gleichzeitig beantragt,

gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Berufung fristgerecht begründet worden sei, weil die ab 01.01.2002 geltende Neufassung des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG) vom 27.07.2001 (BGBl. I, 1887 f) und nicht die bis zum 31.12.2001 geltende Fassung dieser Vorschrift zur Anwendung gelange. In Artikel 30 ZPO-RG würde nämlich eine Übergangsvorschrift im Hinblick auf das arbeitsgerichtliche Verfahren fehlen, und zwar im Gegensatz zur Regelung in § 121 ArbGG mit Überleitungsvorschriften aus Anlass des Gesetzes vom 21.05.1979.

Der durch Artikel 3 ZPO-RG neu eingefügte § 26 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (EG-ZPO) gelte ausschließlich für Berufungen nach der Zivilprozessordnung, nicht aber für das arbeitsgerichtliche Berufungsverfahren. Dem stünde auch § 64 Abs. 6 ArbGG nicht entgegen und zwar u. a. deshalb, weil sich die Verweisungsnorm nicht auf § 26 EG-ZPO beziehe.

Auf die Berufungsbegründungsfrist sei deshalb angesichts der Zustellung des angefochtenen Urteils im Jahre 2002 die Neufassung des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG anwendbar. Angesichts der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 01.02.2002 sei die Frist zur Begründung der Berufung an dem auf den Ostermontag folgenden Tag, nämlich am 02.04.2002 abgelaufen. Die Einreichung der Berufungsbegründung am 23.03.2002 sei also rechtzeitig erfolgt.

Bei Überprüfung der Rechtslage betreffend die Anwendbarkeit der alten oder der neuen Fassung von § 66 ArbGG sei sein Prozessbevollmächtigter zu der sicheren Auffassung gelangt, dass die Neufassung auf alle nach dem 31.12.2001 zugestellten Urteile zur Anwendung gelange. Dementsprechend seien auf seine Anweisung entsprechende Fristen bzw. Vorfristen für die Einlegung der Berufung und die Abfassung der Berufungsbegründung in den anwaltlichen Fristenkalender eingetragen worden, was anwaltlich und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der zuständigen Kanzleisachbearbeiterin versichert werde. Zumindest sei ihr Prozessbevollmächtigter einem vertretbaren Rechtsirrtum unterlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Sie tritt den Darlegungen des Beklagten mit eingehenden Rechtsausführungen entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (§ 66 Abs. 2 S. 2 ArbGG a. F. i. V. mit § 519 b Abs. 2 ZPO a. F.) als unzul...

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