Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmittelbelehrung. Berufungsbegründungsfrist. Reichweite der Belehrungspflicht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG verpflichtet nicht zur Belehrung über die einzuhaltende Frist für die Berufungsbegründung. Eine diesbezüglich unrichtige Belehrung hindert den Beginn der Berufungsbegründungsfrist nicht.

2. In Zeit, in denen Übergangsvorschriften zu beachten sind (Ablösung von alten durch neues Prozessrecht), ist ein Rechtsanwalt gehalten, die Berechnung der Frist zur Berufungsbegründung entweder selbst vorzunehmen oder zumindest das vom Büropersonal vermerkte Fristende zu überprüfen und ggf. zu berichtigen.

Kommt der Rechtsanwalt dieser Verpflichtung nicht nach, liegt ein Verschulden i.S.d. § 233 ZPO vor, welches der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegensteht.

 

Normenkette

ArbGG § 9 Abs. 5 S. 3; ZPO § 233

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 19.12.2001; Aktenzeichen 9 Ca 689/01)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des ArbG Koblenz –Ausw. Kammern Neuwied– vom 19.12.2001 – 9 Ca 689/01 – wird – unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages – kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

II. Die Revision wird zugelassen.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.903,37 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin DM 11.525,98 zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 22.09.2000 sowie weitere DM 20,00 zu zahlen. Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a. F. Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des ArbG Koblenz –Ausw. Kammern Neuwied– vom 19.12.2001 – 9 Ca 689/01 – (dort Seite 3 bis 6 = Bl. 107 ff d.A.). Das Urteil vom 19.12.2001 ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 15.03.2002 zugestellt worden. In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils vom 19.12.2001 – 9 Ca 689/01 – heißt es u.a.:

„… die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für ihre Begründung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des Urteils, spätestens aber mit Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung des Urteils …” (Urteil Seite 12 = Bl. 116 d.A.).

Mit dem Schriftsatz vom 10.04.2002 wurde für den Beklagten Berufung gegen das Urteil vom 19.12.2001 – 9 Ca 689/01 – eingelegt. Dieser Schriftsatz ist per Telefax am 10.04.2002 und im Original am 12.04.2002 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen (s. Bl. 129 und 132 d.A.).

Am 14.05.2002 ging per Telefax (– am 15.05.2002 im Original –) die Berufungsbegründung des Beklagten nebst Wiedereinsetzungsantrag bei dem Landesarbeitsgericht ein.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages trägt der Beklagte vor, dass anhand der seit dem 01.01.2002 in Kraft getretenen Fassung des § 520 Abs. 2 ZPO u.a. folgende Fristen im Fristenkalender und in der Handakte eingetragen worden seien:

  • Frist zur Berufungsbegründung: 15.05.2002 und
  • Vorfrist hierzu: 08.05.2002.

Bei der Fristenberechnung habe die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte M. versehentlich nicht beachtet, dass die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen sei, vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sei. Bei der Angestellten M. handele es sich um eine geschulte, erfahrene, stets sorgfältige langjährige Mitarbeiterin. Es handele sich bei ihr um eine zuverlässige Bürokraft, die – wie regelmäßige Kontrollen des Prozessbevollmächtigten RA D. ergeben hätten – den Fristenkalender seit weit über 10 Jahren stets sorgfältig und fehlerlos geführt habe.

Hinzukomme – so wird im Wiedereinsetzungsgesuch weiter geltend gemacht, – dass sich Rechtsanwalt D. in der Zeit vom 09.05. bis zum 13.05.2002 in einem 5-tägigen Auslands Urlaub befunden habe. Die Akte sei zur Erledigung mitgenommen worden. Rechtsanwalt D. habe sich auf die im Fristenkalender eingetragenen und in der Handakte vermerkten Fristen verlassen. Bei der Bearbeitung der. Akte am 12.05.2002 sei sodann der verhängnisvolle Irrtum aufgefallen. Wegen der weiteren Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches wird auf den Schriftsatz vom 14.05.2002 (dortige Ausführungen unter Abschnitt A. = Seite 1 f = Bl. 139 f d.A.) nebst der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten M. vom 14.05.2002 (Bl. 145 d.A.) und auf den Schriftsatz vom 13.06.2002 (Bl. 166 f d.A.) verwiesen.

Wegen der Berufungsbegründung wird auf die Ausführungen unter Abschnitt B. des Schriftsatzes vom 14.05.2002 Bezug genommen (= Bl. 140 ff d.A.).

Der Beklagte beantragt,

  1. ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und
  2. die Klage unter Aufhebung des Urteils des ArbG Koblenz –Ausw. Kammern Neuwied– vom 19.12.2001 – 9 Ca 689/01 – abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hält es für zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegeben seien. Die Klägerin vermisst Vortrag dazu, welche Vorke...

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