Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Beschäftigungszeiten
Leitsatz (amtlich)
Zum Anrechnungsausschluß nach Nr. 4 Buchst. c der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O
Normenkette
BAT-O § 19
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Aktenzeichen 8 Ca 802/93) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 26.11.1996, 8 Ca 802/93 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens – einschließlich des Revisionsverfahrens 6 AZR 238/99 – hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Zeit vom 01. August 1979 bis zum 31.07.1990 nach § 19 BAT-O als Beschäftigungszeit der Klägerin anzuerkennen ist.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Lehrerin für untere Klassen war die Klägerin ab dem 01.08.1979 beim Rat der Stadt W./Abteilung Volksbildung beschäftigt. Sie arbeitete zunächst als Unterstufenlehrerin an der POS T. N. in W. und wurde dort im Januar 1982 nach Ausscheiden des stellvertretenden Direktors zur amtierenden stellvertretenden Schulleiterin bestellt. Danach trat sie der SED bei, besuchte vom 01.09.1982 bis 31.07.1983 im Direktstudium die Bezirksparteischule in E. und wurde anschließend stellvertretende Direktorin der POS K. K. in W., wo sie weiterhin in der Unterstufe und zusätzlich im Fach Staatsbürgerkunde unterrichtete. 1984 wurde die Klägerin ehrenamtliches Mitglied der SED-Kreisleitung und gehörte dort der Kommission Jugend und Sport an. Diese Funktionärstätigkeit endete mit der Wende 1989. Vom 01. September 1984 bis 31.07.1985 absolvierte sie an der Pädagogischen Hochschule in L. ein Direktstudium zur Diplomlehrerin für Staatsbürgerkunde und war ab dem 01.08.1985 an der POS E. K. in W. Lehrerin für Staatsbürgerkunde und stellvertretende Direktorin, ab 01.08.1989 bis 31.07.1990 Direktorin. An dieser Schule war die Klägerin von September 1985 bis Januar 1986 ehrenamtliche Schulparteisekretärin gewesen. Vom 01.08.1990 bis Ende Februar 1992 arbeitete sie als Lehrerin für untere Klassen an der POS J. P. E. in W.. Seither ist sie an der Grundschule in W.-S. tätig.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der BAT-O vom 10.12.1990 Anwendung. § 19 BAT-O lautet auszugsweise:
„§ 19 Beschäftigungszeit
1. Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.
Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:
…
2. Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne dass eine Überführung nach Art. 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des Absatzes 1
b) für Angestellte der Länder
Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit das Land deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat,
…
4. Von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit sind ausgeschlossen
…
c) Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.
Die Übertragung der Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe wird insbesondere vermutet, wenn der Angestellte,
- vor oder bei Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation innehatte,
- als mittlere oder obere Führungskraft in zentralen Staatsorganen, als obere Führungskraft beim Rat des Bezirkes, als Vorsitzender des Rates eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt (Oberbürgermeister) oder in einer vergleichbaren Funktion tätig war,
- hauptamtlich Lehrender an den Bildungseinrichtungen der staatstragenden Parteien oder einer Massen- oder gesellschaftlichen Organisation war oder
- Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung war.
Der Angestellte kann die Vermutung widerlegen.
Von einer Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen sind auch die Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a bis c zurückgelegt worden sind.”
Der Beklagte setzte den Beginn der Beschäftigungszeit der Klägerin nach § 19 BAT-O am 22.07.1994 auf den 01.08.1990 fest. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 13. September 1994 erfolglos. Am 01.04.1996 hat sie Feststellungsklage erhoben.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auch ihre Lehrertätigkeit vom 01.08.1979 bis 31.07.1990 sei gem. § 19 BAT-O als Beschäftigungszeit anzurechnen. Sie hat behauptet, ihre Ernennung zur stellvertretenden Direktorin und später zur Direktorin habe fachliche und keine politischen Gründe gehabt, was schon daran deutlich werde, dass sie vor Eintritt in die SED amtierende stellvertretende Direktorin geworden sei. Zum Parteibeitritt und zum Besuch der Bezirksparteischule habe sie sich entschlossen, um zum angestrebten Diplomlehrerstudium im Fach Geschichte zugelas...