Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan i. S. des § 112 BetrVG verjährt nicht gem. § 196 I Ziff. 8, 9 BGB in 2 Jahren, sondern gem. § 195 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Urteil vom 14.01.1998; Aktenzeichen 7 Ca 2372/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 14.01.1998 – 7 Ca 2372/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Streithelferin trägt die in der Berufungsinstanz entstandenen Kosten der Streithilfe.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan I der P. vom 29.11.1991.
Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Erfurt hat der Klage mit Urteil vom 14.01.1998 aus den aus den Entscheidungsgründen Blatt 135 – 142 der Akten ersichtlichen Gründen – bis auf einen Teil des Zinsanspruches – stattgegeben.
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 23.01.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.02.1998, der am 13.02.1998 beim Berufungsgericht einging, Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 09.04.1998 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 08.04.1998 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 09.03.1998 bis 13.04.1998 verlängert worden war.
Der Beklagte wendet sich nur insoweit gegen das angefochtene Urteil, als er meint, dass der Klageanspruch verjährt sei, weil Abfindungen der vorliegenden Art als Arbeitseinkommen anzusehen seien, bei denen die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 BGB eingreife.
Der Beklagte beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 17.01.1998 – 7 Ca 2372/97 – wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Er tritt der Berufung entgegen und verteidigt die Auffassung des Arbeitsgerichts, das Abfindungen nämlich erst in 30 Jahren verjähren würden.
Die Streithelferin beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt vom 17.01.1998,
7 Ca 2372/97, abzuweisen.
Auch sie vertritt die Auffassung, dass bei Abfindungen die kurze Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8, 9 BGB laufe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet, weil das Arbeitsgericht mit überzeugenden Erwägungen der Klage stattgegeben hat.
Seine Ausführungen werden bis auf die Frage der Verjährung von dem Beklagten und der Streithelferin nicht angegriffen, so daß insoweit keine weiteren Darlegungen des Berufungsgerichts notwendig sind.
Der Klageanspruch war im Zeitpunkt der Anhängigmachung der Klage auch nicht verjährt.
1.
Hinsichtlich der Dauer der Verjährungsfrist hat das Arbeitsgericht in überzeugender Weise sowie unter Hinweis auf die gängigen Handbücher (z. B. KR-Becker, 3. Aufl., § 10 Rz 22; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 8. Aufl., § 141 VII, Ziff. 5) dargelegt, dass es sich weder bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bei der Entstehung von Abfindungsansprüchen wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes um Geschäfte des täglichen Lebens handele und dass die Abfindung kein Entgelt für geleistete Dienste sei, sondern dem sozialen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes diene. Es hat aus diesen Überlegungen die Rechtsfolge gezogen, dass auf Abfindungen die kurze Verjährung des § 196 BGB keine Anwendung finde, sondern dass Abfindungen der normalen 30-jährigen Verjährung des § 195 BGB unterfielen.
Das Berufungsgericht stimmt dieser Auffassung zu und befindet sich damit in Übereinstimmung mit der weitaus herrschenden Meinung im arbeitsrechtlichen Schrifttum, soweit es dieser Frage überhaupt eine nähere Betrachtung mit eigenständiger Begründung widmet (vgl. KR-Spilger, 4. Aufl., Kündigungsschutzgesetz § 10 Rz 22 b; Knorr-Bichelmeier-Kremhelmer, Handbuch des Kündigungsrechts, Kap. 11, Rz 114; Weyand in: Dorndorf-Weller-Hauck; KSchG, § 10 Rz 34; Löwisch, KSchG 7. Aufl., § 10 Rz 37; Kittner-Trittin, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl., § 10 Rz 28; Rolfs, Arbeitsrechtblattei, Stichwort Abfindung Rz 179 ff).
a)
Bei den hier in Frage stehenden Abfindungsansprüchen aus einem Sozialplan steht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion im Vordergrund.
„Sozialplanregelungen dienen nach § 112 Abs. 1 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge Betriebsänderung – künftig – entstehen. Sie haben eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion und sind keine Entschädigung” (so BAG, Urteil vom 09.11.1994, 10 AZ...