Rz. 5
Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt die Vergütung als vereinbart, wenn die Dienstleistung "den Umständen nach" nur gegen eine Vergütung "zu erwarten ist". Es darf damit weder ausdrücklich noch konkludent die Unentgeltlichkeit vereinbart sein.
Nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung von Rechtsgeschäften sind die "Umstände", unter denen ein Rechtsgeschäft zustande kommt, bereits zu dessen Auslegung heranzuziehen. Die Bestimmung des § 612 Abs. 1 BGB kann dagegen erst eingreifen, wenn eine Auslegung ergeben hat, dass die Parteien sich keine Gedanken über die Entgeltlichkeit gemacht haben oder unerkannt unterschiedliche Vorstellungen haben. Dann aber können dieselben "Umstände" nicht ein zweites Mal, nunmehr bei § 612 Abs. 1 BGB, zum Tragen kommen; sprechen nämlich die Umstände bereits für die Entgeltlichkeit, so dürfte dies bereits im Wege der Auslegung zu einer stillschweigenden Abrede der Entgeltlichkeit führen.
Rz. 6
Die Vergütungserwartung nach § 612 Abs. 1 BGB ist anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung und der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme. Sie kann sich insbesondere aus der Geltung von Tarifverträgen in dem betreffenden Wirtschaftsbereich, in denen für vergleichbare Tätigkeiten eine Vergütung von Überstunden vorgesehen ist, ergeben. Auch bei Betriebsvereinbarungen in Bezug auf den streitgegenständlichen Komplex kann eine Vergütungserwartung auf die in der Betriebsvereinbarung genannten Fälle angenommen werden. Berufs- und Erwerbsverhältnisse werden ebenfalls als Kriterien genannt. Unerheblich ist dagegen, ob der Dienstberechtigte oder der Diensterbringende die Vorstellung hatte, dass die Dienstleistung nach den Umständen nur gegen Vergütung zu erwarten war. Es kommt nicht allein auf diejenigen Umstände an, die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung erkennbar werden; es kann vielmehr auch als Indiz für eine mangelnde Vergütungserwartung und damit für die Unentgeltlichkeit der geleisteten Dienste angesehen werden, wenn die Vergütung erst später, insbesondere nach einem Zerwürfnis, verlangt wird. Gemäß dem Grundgedanken, dass derjenige, der trotz nahe liegender Umstände für zusätzlich erbrachte Dienste erheblichen Umfangs über längere Dauer keine Gegenleistung fordert, einen entsprechenden Willen auch nicht zum Ausdruck bringen will, braucht selbst ein überobligationsmäßiger Arbeitseinsatz nicht als auf entgeltliche Mehrarbeit gerichtetes Vertragsangebot betrachtet zu werden.
Die Darlegungs- und Beweislast für eine bestehende Vergütungserwartung trifft nach allgemeinen Grundsätzen denjenigen, der die Vergütung begehrt.