Cesare Vannucchi, Dr. Marcel Holthusen
Rz. 10
Eine Änderungskündigung dient der Änderung der Arbeitsbedingungen, wenn diese nicht mehr vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist.
Nach § 2 handelt es sich um ein aus 2 Teilen zusammengesetztes Rechtsgeschäft: Der Arbeitgeber verbindet die ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Angebot zu einem neuen Vertrag unter geänderten Bedingungen. Er hat 2 Möglichkeiten:
- Er kann – ohne Bedingung – kündigen und zugleich für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen neuen Vertrag anbieten.
- Er kann unter der Bedingung kündigen, dass der Arbeitnehmer das Angebot zur Änderung des Vertrags nicht annimmt. Der Bedingungseintritt hängt vom Willen des Arbeitnehmers ab. Eine solche Potestativbedingung ist zulässig.
Rz. 11
Für die außerordentliche Änderungskündigung gilt § 2 KSchG analog. Ist die ordentliche Kündigung durch Kollektiv- oder Einzelvertrag ausgeschlossen, gilt dies regelmäßig auch für die ordentliche Änderungskündigung.
Rz. 12
Die Änderungskündigung beinhaltet eine echte Kündigung. D. h., dass grds. alle kündigungsrechtlichen Vorschriften Anwendung finden. Daraus folgt:
- Die Änderungskündigung ist nach § 125 Satz 1 BGB formnichtig bei einem Verstoß gegen §§ 126 Abs. 1, 623 BGB.
- Sie ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, wenn der Arbeitgeber vor ihrem Ausspruch den Betriebsrat nicht angehört hat.
- Sie ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber vor ihrem Ausspruch die Schwerbehindertenvertretung nicht angehört hat, vgl. § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX.
- Sie ist nach § 134 BGB nichtig, wenn der Sonderkündigungsschutz nicht beachtet wurde, z. B. § 17 MuSchG, § 18 BEEG, §§ 168 ff. SGB IX, § 2 ArbPlSchG.
- Auch § 1 Abs. 5 KSchG gilt für Änderungskündigungen. Danach wird vermutet, dass das Beschäftigungsbedürfnis zu den bisherigen Bedingungen weggefallen ist und eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb fehlt.
Rz. 13
Der Arbeitnehmer hat 3 Möglichkeiten, darauf zu reagieren:
- Der Arbeitnehmer kann das Vertragsangebot annehmen. Dann wird der Vertrag zu den geänderten Bedingungen fortgesetzt. Für die vorbehaltlose Annahme gilt die 3-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG grds. nicht. Ausnahmsweise wird diese Frist in Gang gesetzt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach § 148 BGB eine Frist für die Annahme seines Angebots gesetzt hat, die kürzer als 3 Wochen ist (z. B. "umgehend"). Nach Ablauf von 3 Wochen kann der Arbeitnehmer das Angebot nicht mehr annehmen und die Kündigung nicht mehr gerichtlich angreifen, vgl. § 4 Satz 1 KSchG. Die verspätete Annahme führt damit zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
- Der Arbeitnehmer kann das Vertragsangebot ablehnen. Dann wirkt die Änderungskündigung als Beendigungskündigung, die mit der Kündigungsschutzklage angegriffen werden kann. Verliert der Arbeitnehmer den Prozess (und sei es nur wegen Überschreitens der Klagefrist), endet der Vertrag. Gewinnt er den Prozess, bleibt es bei den alten Arbeitsbedingungen.
- Der Arbeitnehmer kann das Vertragsangebot innerhalb von 3 Wochen unter Vorbehalt annehmen, vgl. § 2 KSchG und eine Änderungsschutzklage erheben, vgl. § 4 Satz 2 KSchG. Die Annahmeerklärung muss dem Arbeitgeber innerhalb von 3 Wochen zugehen. Eine Annahme unter Vorbehalt im Rahmen der Klageschrift, die vor Fristablauf bei Gericht eingereicht, aber erst "demnächst" zugestellt wird, ist deshalb nicht rechtzeitig. Bei Überschreiten der Klagefrist erlischt der Vorbehalt nach § 7 KSchG, sodass die neuen Arbeitsbedingungen gelten. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer den Prozess verliert. Gewinnt er, fingiert § 8 KSchG, dass die alten Arbeitsbedingungen nie geändert wurden, obwohl der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist zunächst zu den geänderten Bedingungen arbeiten musste.
Rz. 14
Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG wird bei der Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG nicht die Wirksamkeit der Kündigung geprüft, sondern die Frage, ob das Angebot auf Änderung der Arbeitsbedingungen berechtigt war. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine Änderung der Arbeitsbedingungen. Liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, ist die Änderungskündigung "überflüssig". Die Änderungsschutzklage ist unbegründet, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber sein Direktionsrecht noch nicht ausgeübt hat. Die Wirksamkeit der Kündigung (z. B. § 102 BetrVG) ist erst zu prüfen, wenn feststeht, dass die Änderungskündigung erforderlich ist.
Diese Rechtsprechung wurde insbesondere deshalb kritisiert, da die Änderungsschutzklage bei einer überflüssigen Änderungskündigung ohne Erfolg blieb, selbst wenn der Arbeitgeber evident gegen kündigungsrechtliche Vorschriften verstoßen hat, wie z. B. gegen § 102 BetrVG. Die Änderungskündigung beinhaltet neben dem Angebot eben auch ein Kündigungselement, das der Arbeitnehmer ebenfalls prüfen lassen will.