Rz. 786

Oftmals werden im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang auch betriebsbedingte Kündigungen erklärt. Liegt ein solcher Betriebsübergang vor, stellt sich zumeist die Frage, ob die Kündigungen wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurden und somit nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam sind, oder ob es sich um eine Kündigung aus anderen Gründen i. S. v. § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB handelt, sodass der Betriebsübergang die rechtliche Wirksamkeit unberührt lässt. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Veräußerer oder den Erwerber ist, wenn sie wegen des Betriebsübergangs erfolgt, gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Es handelt sich hierbei um ein eigenständiges Kündigungsverbot. Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist deswegen keine Voraussetzung für das Eingreifen dieser Norm.[1]

Das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen bleibt allerdings gemäß § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB unberührt. Hierfür muss es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund geben, der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermag, sodass der Betriebsübergang nur der äußere Anlass, nicht aber der tragende Grund für die Kündigung gewesen ist, denn § 613a BGB soll nicht vor Risiken schützen, die sich unabhängig von einem Betriebsübergang realisieren können.[2]

Es bleiben somit Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Gründen möglich. Somit ist der Arbeitgeber auch nicht gehindert, wegen eines bevorstehenden Betriebsübergangs Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen.[3]

Hierzu muss der Arbeitgeber ein entsprechendes Sanierungskonzept entwickeln und darlegen, dass es sich um die Umsetzung von selbst gewonnenen wirtschaftlichen Erkenntnissen handelt. Alternativ kann der Veräußerer sich auch die fremde Unternehmerentscheidung des avisierten Erwerbers zu eigen machen. Eine solche Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts kann wirksam sein, wenn der Veräußerer damit strukturelle Vorgaben des Erwerbers umsetzt, die über bloße Kündigungen von bestimmten Arbeitnehmern hinausgehen.[4]

 

Rz. 787

Eine betriebsbedingte Kündigung kommt auch dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB widerspricht. Hiermit verhindert er den Übergang oder beendet ein bereits begründetes Arbeitsverhältnis. Es handelt sich nämlich um ein Gestaltungsrecht mit Rückwirkung.[5] Der Arbeitgeber kann dem daraus meist folgenden Überhang an Arbeitskräften mit einer Kündigung begegnen.[6]

Bei einer nachfolgend vom Betriebsveräußerer vorzunehmenden sozialen Auswahl können sich auch Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB widersprochen haben, auf eine mangelhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG berufen. Bei der Prüfung der sozialen Auswahlgesichtspunkte dürfen die Gründe für den Widerspruch nicht berücksichtigt werden. Hiergegen spricht der eindeutige Wortlaut von § 1 Abs. 3 KSchG, welcher die Sozialauswahl auf die vier genannten gesetzlichen Kriterien beschränkt.[7]

Es ist somit denkbar, dass die Kündigung nicht unbedingt den Arbeitnehmer trifft, der die Kündigungslage durch seinen Widerspruch erst verursacht hat.

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