Rz. 81
Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen nach Kenntniserlangung der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfolgen. Diese Vorschrift gilt auch für die außerordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern und die anderen in Abs. 1 genannten Personen, die den besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung genießen.
Rz. 82
§ 15 Abs. 1–3 KSchG enthält zwar nicht mehr wie bis zu seiner Neugestaltung durch das BetrVG 1972 den Hinweis auf § 626 BGB. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass diese Vorschrift für Arbeitnehmer, die den Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und der Personalvertretung genießen, keine Geltung habe. Die Streichung des Hinweises auf § 626 BGB war allein deshalb notwendig, weil der besondere Kündigungsschutz auch auf Mitglieder einer Bordvertretung und eines Seebetriebsrats sowie des Wahlvorstands und die Wahlbewerber für diese Gremien erweitert wurde. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung gegenüber Besatzungsmitgliedern eines Schiffs richtet sich nämlich nicht nach § 626 BGB, sondern nach § 67 SeeArbG. Deshalb ist die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB (bei Schwerbehinderten § 174 Abs. 2 und 5 SGB IX, bei Berufsauszubildenden § 22 Abs. 4 BBiG) auch auf Arbeitnehmer anzuwenden, die den Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und der Personalvertretung haben.
Rz. 83
Die Ausschlussfrist für die Erklärung der außerordentlichen Kündigung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber diese Frist aber nicht einhalten, sofern man ausnahmslos an dem Dogma festhält, dass die Zustimmung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung vorliegen muss. Teilweise wurde im älteren Schrifttum deshalb angenommen, dass die 2-Wochen-Frist erst beginnt, wenn die Zustimmung des Betriebsrats erteilt oder ersetzt ist. Begründet wurde diese Auffassung mit einer Analogie zu § 4 Satz 4 KSchG. Die für einen Analogieschluss notwendige Vergleichbarkeit der Regelung ist aber nicht gegeben und außerdem widerspricht die Analogie dem Zweck des § 626 Abs. 2 BGB, durch den gesichert werden soll, dass die außerordentliche Kündigung innerhalb der 2-Wochen-Frist erfolgt. Verlegt man den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der erteilten oder ersetzten Zustimmung des Betriebsrats, so bleibt offen, in welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats einholen muss, wenn er eine außerordentliche Kündigung aussprechen will. Dem Zweck der Regelung, die das Recht zur außerordentlichen Kündigung durch die Bindung an eine Ausschlussfrist zeitlich begrenzt, entspricht allein, dass die Frist, wie es in § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB wörtlich heißt, mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
Rz. 84
Wenn der Betriebsrat die Zustimmung ablehnt oder sich nicht äußert, kann der Arbeitgeber die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht durch die Kündigung einhalten, sofern man uneingeschränkt an dem Dogma festhält, dass der Betriebsrat der Kündigung vor ihrem Ausspruch zugestimmt haben muss. Deshalb genügt, dass der Arbeitgeber innerhalb der Ausschlussfrist das Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht einleitet, um die Zustimmung des Betriebsrats ersetzen zu lassen. Erforderlich ist daher, dass der Arbeitgeber innerhalb der 2-Wochen-Frist beim Betriebsrat den Antrag auf Zustimmungserteilung stellt. Das aber allein genügt nicht, um die Frist zu wahren; denn die Kündigungserklärungsfrist besteht im Interesse des betroffenen Arbeitnehmers. Da auch Fristen sonst nur durch gerichtliche Geltendmachung gewahrt werden, muss man verlangen, dass der Arbeitgeber innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB das Zustimmungsersetzungsverfahren einleitet. Die Frist wird weder durch die Anrufung des Betriebsrats unterbrochen noch gehemmt und sie wird auch nicht durch die dem Betriebsrat eingeräumte Äußerungsfrist von 3 Tagen verlängert.
Bei einem Betriebsratsmitglied, das zu den schwerbehinderten Menschen gehört, hat der Arbeitgeber bei einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats, da § 174 Abs. 2 und 5 SGB IX lex specialis zu § 626 Abs. 2 BGB ist, das Zustimmungsersetzungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 5 SGB IX unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt oder nach Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 174 Abs. 3 SGB IX einzuleiten.