Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 7
Die Bundesagentur für Arbeit kann nach § 19 KSchG Kurzarbeit nach pflichtgemäßem Ermessen zulassen, wenn
- eine Massenentlassung i. S. v. § 17 Abs. 1 KSchG vorliegt,
- eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet ist,
- der Arbeitgeber zur vollen Beschäftigung der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Sperrfrist nicht in der Lage ist und
- ein Antrag auf Zulassung von Kurzarbeit gestellt wurde.
2.1.1 Vorliegen einer Massenentlassung und deren wirksame Anzeige
Rz. 8
Die Zulassung von Kurzarbeit kommt nur dann in Betracht, wenn eine anzeigepflichtige Entlassung i. S. v. § 17 KSchG vorliegt. Dies ergibt sich aus der Verweisung von § 19 Abs. 1 KSchG auf § 18 Abs. 1 und 2 KSchG, welche auf § 17 KSchG Bezug nehmen. Voraussetzung für die Zulassung ist ferner, dass der Arbeitgeber jedenfalls die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer ordnungsgemäß angezeigt hat. Sofern darüber hinausgehend teilweise offenbar vertreten wird, dass der Arbeitgeber im Einklang mit § 17 KSchG die Beteiligungsrechte des Betriebsrats beachtet und das Anzeigeverfahren durchgeführt haben muss, findet sich hierfür im Wortlaut von § 19 Abs. 1 KSchG keine Stütze. Richtigerweise reicht es demnach aus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Massenentlassungsanzeige erstattet hat.
2.1.2 Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung bis Ende der Sperrfrist
Rz. 9
Hinzukommen muss, dass der Arbeitgeber bis zu dem in § 18 Abs. 1 und 2 KSchG bezeichneten Zeitpunkt, d. h. bis zum Ende der Sperrfrist, nicht in der Lage sein darf, einen Teil oder die gesamte Belegschaft voll zu beschäftigen. Nicht notwendig ist dementsprechend, dass dem Arbeitgeber eine Vollbeschäftigung aller im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer unmöglich ist. Ausreichend ist, dass diese Voraussetzung in Bezug auf die von den Entlassungen betroffenen Arbeitnehmer gegeben ist. Nicht notwendig ist ferner, dass eine volle Beschäftigung objektiv nicht möglich ist; nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist es ausreichend, dass dem Arbeitgeber nach der wirtschaftlichen Lage seines Betriebs die volle Beschäftigung nicht mehr zumutbar ist. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn das Arbeitsmaterial ausbleibt, wesentliche Teile der Betriebsanlagen beschädigt sind, ein Auftragsmangel eintritt oder eine Verlustproduktion beendet wird. Ob eine Unzumutbarkeit i. d. S. vorliegt, entscheidet die Bundesagentur für Arbeit nach §§ 33 SGB I, 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen ("kann"). Inwieweit dabei ein "Verschulden" des Arbeitgebers an der fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu berücksichtigen ist, wird kontrovers diskutiert. Im Ergebnis ist dies jedoch abzulehnen, da der Sinn und Zweck der Einführung von Kurzarbeit nicht darin besteht, einen Arbeitgeber zu belohnen bzw. schlechte Unternehmensführung entsprechend zu bestrafen. Es geht vielmehr allein darum, für die "Zwischenzeit" Kurzarbeit durchzuführen, um die wirtschaftlichen Folgen des während der Dauer der Sperrfrist geltenden Entlassungsverbots zu mildern und ggf. die Insolvenz eines Unternehmens abzuwenden. Eine Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen durch die Bundesagentur für Arbeit entspricht demgegenüber nicht dem Ziel des Gesetzes.
2.1.3 Antrag
Rz. 10
Weitere Voraussetzung für die Zulassung der Kurzarbeit ist ein entsprechender Antrag des Arbeitgebers. Zwar schreibt das Gesetz einen Antrag nicht ausdrücklich vor; das Antragserfordernis folgt jedoch schon aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, wonach eine Behörde nur auf Antrag tätig werden darf (vgl. § 18 Satz 2 Nr. 2 SGB X).
Rz. 11
Nach §§ 95 ff. SGB III unterliegt der Antrag nach § 19 KSchG allerdings keinem Formerfordernis. Der Antrag kann insbesondere auch stillschweigend gestellt werden und sich aus der Auslegung der Massenentlassungsanzeige ergeben.