Rz. 47

Ein Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darüber, ob eine Betriebsvereinbarung zustande gekommen ist und wie sie auszulegen ist, muss im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren entschieden werden. Der Betriebsrat kann im Beschlussverfahren jedoch nur eigene Rechte geltend machen. Er kann vom Arbeitgeber daher nicht im Wege des betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruchs die Weitergewährung eines mitbestimmungswidrig eingeführten Vergütungsbestandteils verlangen.[1] Der Betriebsrat kann den Durchführungsanspruch bezüglich der Betriebsvereinbarungen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren durchsetzen, je nach Lage mit einem Antrag auf Vornahme der entsprechenden Maßnahmen oder auf Unterlassung betriebsvereinbarungswidriger Maßnahmen.[2]

Die Durchführung einer Betriebsvereinbarung kann dem Arbeitgeber auch durch einstweilige Verfügung aufgegeben werden. Wenn der Inhalt der Betriebsvereinbarung eindeutig und nicht auslegungsfähig ist, besteht in der Regel auch ein Verfügungsgrund.[3] Der Streitwert ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände auf den gesetzlichen Hilfsstreitwert festzusetzen.[4] Die Durchsetzung erfolgt mittels Ordnungsgeldes. Eine Festsetzung von Ordnungshaft für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, ist unzulässig.[5]

Begründet eine Betriebsvereinbarung Individualrechte für die einzelnen Arbeitnehmer, müssen diese ihre Ansprüche im Urteilsverfahren selbst einklagen. Der Betriebsrat darf nicht auf Leistung an die Arbeitnehmer klagen. Wird jedoch die Feststellung begehrt, dass der Arbeitgeber eine Gesamtbetriebsvereinbarung in einer bestimmten Art und Weise anwenden solle, macht der Betriebsrat damit einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruch geltend, für den die Antragsbefugnis gegeben ist. Unerheblich ist, zum einen, dass sich der Ausgang des Verfahrens nur zugunsten einer begrenzten Anzahl von Arbeitnehmern auswirkt und zum anderen, dass sich die vom Gesamtbetriebsrat begehrte Art und Weise der Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung auf den Inhalt normativ begründeter Ansprüche von Arbeitnehmern bezieht.[6] Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen erfolgt in diesen Streitigkeiten durch das Gericht, und zwar im Hinblick auf deren normativen Charakter nach den Grundsätzen der Auslegung von Gesetzen und Tarifverträgen. Hierbei kann auch die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung in der Vergangenheit berücksichtigt werden.[7]

Bei einem tarifwidrigen Abschluss einer Betriebsvereinbarung unter Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG kann den Gewerkschaften ein Unterlassungsanspruch zustehen.[8]

[2] BAG, Beschluss v. 29.4.2004, 1 ABR 30/02; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 6.1.2021, 15 TaBVGa 1440/20 und v. 30.1.2024, 8 TaBV 748/23, Rz. 62.
[3] LAG Niedersachsen, Beschluss v. 6.4.2009, 9 TaBVGa 15/08; s. weiter zum Unterlassungsanspruch LAG Hamm, Beschluss v. 14.10.2013, 13 TaBV 38/13 und LAG Hamburg, Beschluss v. 18.11.2008, H 2 TaBV 101/08.
[8] BAG, Beschluss v. 25.1.2023, 1 ABR 4/22.

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge