7.1 Anwendungsbereich
Rz. 94
Bei der Festlegung des Urlaubs treffen vielerlei Interessen aufeinander, das Interesse des Urlaubswilligen, das Interesse seiner Kollegen und das Interesse des Arbeitgebers an einem ungestörten Betriebsablauf. Durch das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG sollen diese unterschiedlichen Interessen zum Ausgleich gebracht werden.
Rz. 95
Überwiegend wird der Begriff des Urlaubs weit verstanden. Darunter werden alle Formen des Urlaubs sowie jede andere Form der Freistellung von der Arbeit – bezahlt oder unbezahlt – gefasst.
In den Anwendungsbereich der Mitbestimmungsnorm fallen nach herrschender Meinung folgende Tatbestände:
- gesetzlicher Mindesturlaub gem. § 1 BUrlG
- zusätzlicher Erholungsurlaub nach Tarif- oder Einzelarbeitsvertrag
- Zusatzurlaub für Schwerbehinderte
- Bildungsurlaub nach den Landesgesetzen zur Arbeitnehmerweiterbildung oder nach Tarifverträgen
- bezahlter oder unbezahlter Sonderurlaub
Nicht erfasst wird hingegen die vorübergehende oder dauerhafte Suspendierung von der Arbeitspflicht. Diese bleibt – im Übrigen auch gem. § 99 BetrVG – mitbestimmungsfrei.
Rz. 96
Die Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG bezieht sich nicht auf die materiellen Fragen des Urlaubs, insbesondere nicht darauf, ob ein Anspruch auf Freistellung gegeben ist. Deshalb ist auch die Dauer des Urlaubs nicht mitbestimmungspflichtig. Gleiches gilt für die Höhe und Berechnung des Urlaubsentgelts (womit – im Unterschied zum Urlaubsgeld – die Fortzahlung des Entgelts im Urlaub gemeint ist). Das Urlaubsgeld, welches anlässlich des Urlaubs zusätzlich zum Lohn oder Gehalt gezahlt wird, unterfällt nicht dem Mitbestimmungstatbestand.
Rz. 97
Der Aufbau des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ist dreistufig. Auf der ersten Stufe stehen die allgemeinen Urlaubsgrundsätze. Diese bilden die Grundlage für den (kalender-)jährlich neu aufzustellenden Urlaubsplan (oder besser Freistellungsplan). Bereits in diesem Freistellungsplan sind die Interessen der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers an einem ungestörten Betriebsablauf zum Ausgleich zu bringen. Der Arbeitgeber und der beteiligte Betriebsrat haben bereits auf dieser Stufe den Urlaubswünschen einzelner Arbeitnehmer weitgehend Rechnung zu tragen, § 7 BUrlG. Wenn einzelne Arbeitnehmer eine Abweichung vom Urlaubsplan wünschen oder ein solcher nicht aufgestellt ist, kommt die dritte Stufe der Mitbestimmung zum Tragen, nach der die Betriebspartner gemeinsam für die Festsetzung des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer zuständig werden, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird.
7.2 Allgemeine Urlaubsgrundsätze
Rz. 98
Unter den (der Mitbestimmung unterfallenden) allgemeinen Urlaubsgrundsätzen sind richtlinienartige Regelungen zu verstehen, nach denen der Urlaubsplan aufzustellen ist und nach dem wiederum dem Arbeitnehmer im Einzelfall Urlaub zu gewähren ist. Eine ganze Reihe von Grundsatzfragen werden auf der Ebene der allgemeinen Urlaubsgrundsätze entschieden, wie z. B.
- die generelle Frage, ob im Betrieb Betriebsferien eingeführt werden sollen; die Entscheidung ist bindend und verdrängt individuelle Urlaubswünsche, allerdings können Betriebsferien nicht gegen den Willen des Arbeitgebers eingeführt werden, wenn dieser berechtigte betriebliche Belange geltend macht
- die zeitliche Lage und Dauer der Betriebsferien,
- Regelungen über geteilten oder ungeteilten Urlaub,
- Grundsätze über die Verteilung des Urlaubs innerhalb des Kalenderjahres,
- Zeiten einer generellen Urlaubssperre für den Betrieb, einzelne Abteilungen oder Funktionsträger (z. B. wg. Schlussverkauf, Inventurzeiten, Jahresabschluss, Softwareumstellung oder anderen betrieblichen Gründen),
- Grundsätze zur Auflösung von Konfliktsituationen, wenn mehrere Arbeitnehmer zur gleichen Zeit Urlaub beanspruchen (z. B. soziale Auswahlkriterien),
- Regelung der Urlaubsvertretung
- Verfahren zur Urlaubserteilung
7.3 Urlaubsplan
Rz. 99
Der Urlaubsplan ist die konkrete Festlegung des Urlaubs (bzw. der Freistellungen) für einen bestimmten Zeitraum (sinnvollerweise Kalenderjahr, weil sich bestimmte urlaubsrechtliche Grundsätze – etwa der Verfall von Urlaubsansprüchen – auf das Kalenderjahr beziehen, z. B. § 7 Abs. 3 BUrlG). Er wird gemeinsam mit dem Betriebsrat aufgestellt. Vorläufer des Urlaubsplans ist in der Praxis meist die rechtsunverbindliche Urlaubsliste, in die die Mitarbeiter ihre Urlaubs- und sonstigen Freistellungswünsche eintragen können. Sind sich alle Beteiligten einig, wird aus der Urlaubsliste d...