LAG Köln, Urteil v. 9.1.2020, 8 Sa 787/18
Ein Verjährungsverzicht des Anspruchsgegners hat keinen Einfluss auf den Lauf und Ablauf der tarifvertraglichen Ausschlussfrist.
Sachverhalt
Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Nordrhein-Westfalen und die klagende Stadt waren übereingekommen, dass Flächen des ehemaligen Regierungsviertels eine neue Nutzung erfahren sollen. Dafür wurden die Flächen der Stadt überlassen. Hierauf sollte ein großer Komplex für internationale Einrichtungen und internationale Kongresse entstehen. Mit der Planung, Errichtung und dem anschließenden 30-jährigen Betrieb des Gesamtkomplexes "WCCB" wurden private Investoren beauftragt.
Der Beklagte war seit dem 1.5.2004 bei der klagenden Stadt als Betriebsleiter des städtischen Gebäudemanagements tätig. Der TVöD fand auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Beklagte war für das Projektcontrolling verantwortlich und erteilte im Vorfeld der Beauftragung der Investoren 2 Testate zur Ordnungsgemäßheit der Vertragsinhalte, welche dann auch Grundlagen für die städtischen Gremien bei der Entscheidung über den Auftrag waren. Allerdings geriet das Projekt schon während der Bauzeit in solch finanzielle Schwierigkeiten, dass es zum Baustopp kam. Das beauftragte Unternehmen der privaten Investoren, welche auch später wegen Betrugs zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, meldete Insolvenz an. Mit dem Ausfall der privaten Investoren fielen die Flächen, Gebäude und Projekte auf die klagende Stadt zurück. Die Sparkasse klagte gegen die Stadt auf Schadensersatz, weil sie der Finanzierung die Testate des Beklagten zugrunde gelegt hatte. Man einigte sich im Dezember 2016 gerichtlich auf einen Vergleich, wonach die Stadt der Sparkasse Schadensersatz i. H. v. 70.000.000 EUR zahlten musste. Die klagende Stadt warf nun ihrerseits dem Beklagten vor, grob fahrlässig seine Pflichten als Verantwortlicher für das Projektcontrolling verletzt zu haben, da ihrer Auffassung nach die Testate aufgrund verschiedener Unzulänglichkeiten nicht hätten erteilt und spätere Zahlungen nicht hätten freigegeben werden dürfen. Die eingeklagte Schadensersatzsumme belief sich auf 500.000 EUR.
Bereits im Jahr 2015 hatten sich die Parteien im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses auf einen Vergleich geeinigt, in dem u. a. wechselseitige Ansprüche erledigt werden sollten. Allerdings erhielt der Vergleich den Zusatz: "Von der Erledigung ausgenommen sind etwaige Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer wegen etwaiger nach § 276 BGB zu vertretender Pflichtverletzungen während Bestehens des Arbeitsverhältnisses, die im Zusammenhang stehen mit WCCB-Bauvorhaben." Zudem hatte der Beklagte, um den Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten – die auch gegen ihn aufgenommen worden waren –, gegenüber der klagenden Stadt auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich jeglicher Schadensersatzansprüche in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Rahmen des Projektes wie WCCB verzichtet. Ungeachtet dessen sollte die Verjährung spätestens 3 Jahre ab dem Zeitpunkt eintreten, an dem er der Stadt den Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen angezeigt hat. Von diesem Verzicht auf die Einrede der Verjährung sollten zudem solche Ansprüche ausgenommen sein, hinsichtlich derer im Zeitpunkt der Erklärung bereits Verjährung eingetreten war. Da sich die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen länger hinzogen, hatte der Beklagte diesen Verjährungsverzicht mehrfach verlängert. Erstmals hat die klagende Stadt die 500.000 EUR Schadensersatz mit Schreiben vom 29.6.2018 geltend gemacht. Sie war der Auffassung, dass der Verjährungsverzicht auch einen Verzicht auf Einwände aus der Ausschlussfrist nach § 37 TVöD beinhalte.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Zunächst urteilte das LAG Köln, dass der Beklagte seine Pflichten als Betriebsleiter des städtischen Gebäudemanagements und verantwortlicher Projektcontroller nicht grob fahrlässig verletzt habe. Allerdings konnte dies dahingestellt bleiben, da die Schadensersatzforderungen bereits an der fehlenden ordnungsgemäßen Geltendmachung gem. § 37 TVöD scheiterte; denn der Anspruch war für die klagende Stadt spätestens mit dem Abschluss des Vergleichs zwischen ihr und der Sparkasse im Dezember 2016 fällig und bezifferbar gewesen, da die Stadt den eingeklagten Schadensersatzanspruch allein auf die mit der Sparkasse vereinbarten 70.000.000 EUR stützte. Und diese fällige und bezifferbare Schadensersatzforderung hatte die Stadt nicht innerhalb von 6 Monaten formgerecht nach § 37 TVöD a. F. schriftlich geltend gemacht. Das Gericht führte hierzu aus, dass Geltendmachung i. S. d. § 37 TVöD bedeute, die andere Seite zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufzufordern. Der Schuldner müsse erkennen können, um welche Forderung es sich handele, sodass jede Forderung grds. nach Grund und Höhe sowie dem Zeitraum, für den sie verfolgt werde, deutlich gemacht werden müsse. Und eine solche Geltendmachung könne, so das LAG, vorliegend mangels...